Stallkino auf dem «Chirsgartehof» in Metzerlen
Liebe Familie
Liebe Freundinnen und Freunde aus Stadt und Land
Ich freue mich ausserordentlich, dass ich ein Rede halten darf an dieser Premiere: Dem ersten «Stallkino» auf dem «Chirsgartehof» in Metzerlen.
Geboren wurde die Idee zum «Stallkino» im letzten Jahr an Weihnachten. Am 25. Dezember kommen wir alle zusammen im Restaurant Kreuz in Metzerlen, wo meine Mutter herkommt. Wo ich als Kind so oft die Sommerferien verbracht habe – beim «Chirse bräche» oder noch lieber im Restaurant, in der Küche und ab und zu am Morgen im Service, wenn der Posthalter und andere Leute vom Dorf zum Kaffee kamen.
Letzte Weihnachten also erzählten mir Annekäthi und Jonas von ihrem Projekt «Stallkino». Sie fragten mich, ob ich dann eine Rede halten würde, ein Filmfestival brauche eine Rede.
«Ja, sehr gerne», sagte ich und fühlte mich unglaublich geehrt. Warum? Weil ich diese junge Generation bewundere, die zahlreichen Kinder meiner ebenfalls zahlreichen Cousins und Cousinen und seit Jahren mit Interesse verfolge, was sie alles tun. Wie sie ihr Leben leben in Metzerlen und in der Stadt, in Basel. Selbstverständlich und unaufgeregt. Stadt-Land-Graben? Was ist das? Sie sind in Metzerlen aufgewachsen, haben in der Stadt studiert und gearbeitet oder tun es noch, wohnen in der Stadt und oder in Metzerlen. Und lieben beides!
So ist es auch bei den Mitgliedern des «Beizenchors», wo Annekäthi mitsingt. Diesen habe ich an meine Feier zur Wahl als Ständeratspräsidentin ins Bundeshaus eingeladen. Ein Chor aus Städterinnen und auf dem Land aufgewachsenen oder nun dort wohnenden Sängerinnen und Sängern. Sie singen und performen so ausgelassen und fröhlich und haben es geschafft, dass ich im «rote Chleid» kurzzeitig auf Tiktok einen Grosserfolg hatte…
Das gefällt mir! Ohne Scheuklappen und Vorurteile das Beste aus allen Welten nehmen. Offen sein für die Lebenskonzepte anderer, nicht politisch fixiert sein. Annekäthi und Jonas sind glaub wohl linker als ich, die linke Städterin im Ständerat, aber spielt das eine Rolle?
Sie sind die Zukunft! Nicht diejenigen, die eine ländliche Idylle verkaufen, die nicht ökologisch ist. Die von einer Welt erzählen, die es nie gegeben hat. Einer Welt, in der die Frauen daheim sind, zu den Kindern schauen und keine eigene finanzielle Sicherheit brauchen. Diese bauen sie auch nicht auf, wenn sie tatkräftig mitarbeiten.
Es gibt sie nicht in der Schweiz, die «Lebenswelt des Landes», die ganz im Gegensatz zur «Realität der Stadt» steht, einen Stadt-Land-Graben als Folge der Geographie. Ein solcher Graben wird heraufbeschworen, als gezielte politische Strategie, um zu spalten und zu polarisieren. Das bringt unser Land nicht voran; sondern grenzt aus, schottet die Schweiz ab und versperrt so unsere Zukunft.
Wir drei hier kennen keinen Stadt-Land-Graben; und wir lieben beides: Stadt und Land, Natur und Kultur. Jonas ist Filmemacher, darum zeigen wir heute drei Filme. Annekäthi hat mit dem «Chirsgartehof» den Ort für das Stallkino. Ich bin Politikerin, also halte ich eine Rede. Und nicht zu vergessen: die Kulinarik. So etwas wie den Röstibalken, den Dieter und Brigit mitgebracht haben, das habe ich noch nie gesehen. Mit welchem Tempo alle zu Rösti und Geschnetzelten oder der Vegi-Variante kamen, unglaublich. Und natürlich gibt es auch eine Bar, für vor dem Film und für die After-Party…
In diesem Jahr als Ständeratspräsidentin halte ich viele Reden – neben dem Leiten der Sitzungen. Während diesen würde ich oft lieber inhaltlich reden, statt nur das Wort zu erteilen und Abstimmungsresultate bekanntzugeben, die mir häufig wenig gefallen.
In meiner Antrittsrede als Ständeratspräsidentin habe ich gesagt, dass ich die Perspektive der urbanen Regionen der Schweiz stärker in die Politik einbringen will, wo immerhin drei Viertel der Menschen der Schweiz leben. Und dass das nicht gegen das Land gerichtet ist. Es geht um Offenheit für andere Denkweisen und Perspektiven – diese Offenheit gibt es hier in Metzerlen und gibt es überall.
Ein weiterer Schwerpunkt meines Präsidialjahrs ist die tatsächliche Gleichstellung der Frauen. Am Tag der Frau vom 8. März dieses Jahres waren unterschiedlichste Frauen aus allen Landesteilen, Parteien, aus Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik, Gewerkschaften, Pfadis und anderen Jugendorganisationen im Bundeshaus vereint. Gemeinsam diskutierten wir über Selbstbestimmtheit und (finanzielle) Selbständigkeit von Frauen.
Die Stimmung war ausgezeichnet, eine richtige Motivationsspritze. Und gleichzeitig haben auf dem Bundesplatz Frauen demonstriert für eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an der Fussball-Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz. Das hat Früchte getragen, unsere sparsamen Männer im Ständerat sind angesichts der geballten Frauenpower eingeknickt…
Wenn wir schon beim Thema, Frauenfussball sind: Es freut mich enorm, dass Permi Jhoti heute hier in Metzerlen ist. Was für eine wunderbare Überraschung!
Wir haben wohl alle «Bend it like Beckham» gesehen, diesen bewegenden Film. Nie hätte ich gedacht, einmal die Frau kennenzulernen, auf deren Geschichte der Film beruht. Sie lebt nun hier in der Schweiz, hat sogar ein paar Jahre bei Concordia gespielt.
Eigentlich bin ich auch berufen, um über Sport zu sprechen. Ich habe meine Doktorarbeit über die Anfänge des Frauenturnens in Baselland geschrieben… Doch keine Angst, ich verschone Euch damit und wünsche Euch nun eine schöne Fortsetzung des Kinoabends mit dem Dok-Film über den «Kampf der Königinnen».
EH/20. Juni 2024