Laudatio von Ständerätin Eva Herzog
Verleihung des Anerkennungspreises der Vereinigung für eine Starke Region Basel/Nordwestschweiz 2025 an Prof. Dr. Manuel Battegay
Sehr geehrte Mitglieder der Vereinigung für eine Starke Region Basel/Nordwestschweiz
Sehr geehrte Damen und Herren
Und vor allem: Lieber Manuel
Es ist mir eine grosse Ehre, dass ich heute hier stehen und dich würdigen darf, lieber Manuel, anlässlich der Verleihung des Anerkennungspreises der Vereinigung für eine Starke Region Basel/Nordwestschweiz. Dich, einen Menschen, der in Basel, in der Region Nordwestschweiz, in der Schweiz und über die Landesgrenzen hinaus eine so grosse Bekanntheit und Achtung geniesst.
Heute präsidierst du die beratende Kommission für internationale Zusammenarbeit des Bundes, bist Mitglied des Verwaltungsrats des Universitätsspitals Basel, lehrst als Dozent und Coach an der Universität Basel, engagierst dich in Leadership-Programmen und bist nach wie vor in der klinischen Arbeit und Forschung aktiv.
Obwohl du eigentlich bereits im Februar das AHV-Alter erreicht hast.
Aber das kommt nicht von ungefähr und wir sind glücklich, dass du das breite und tiefe Wissen und deine Erfahrungen, die du dir in deinem reichen Berufsleben angeeignet hast, weiterhin der Allgemeinheit zur Verfügung stellst, wie du es ein Leben lang getan hast. Meine anspruchsvolle Aufgabe ist es nun, eine Würdigung deines beeindruckenden Wirkens zu versuchen.
Meine Damen und Herren
Die Weichen im Leben von Manuel Battegay wurden früh gestellt. Er wuchs in einem Umfeld auf, das von Neugier, Reflexion und Offenheit geprägt war. Sein Vater, der bekannte Psychiater Raymond Battegay, vermittelte ihm die Sensibilität für Menschen, ihre Geschichten und Herausforderungen. Von seiner Mutter, die ursprünglich aus dem Irak stammte, lernte er den Blick über Grenzen hinaus, lernte er, die Welt als Ganzes zu sehen.
Gerade kürzlich verriet er in einem Interview, dass er in seiner Jugendzeit um ein Haar an die Schauspielerei verloren gegangen wäre. Manuel gehörte zur Theatergruppe von Dani Lévy und auch die Schulaufführung von Dürrenmatts «Die Physiker» – er schlüpfte damals in die Rolle des Möbius – hinterliess Spuren.
Umso dankbarer sind wir, dass du, lieber Manuel, dann doch den Weg in die Infektiologie und in die reale Welt gefunden hast.
Manuel begann sein Studium an der Universität Basel, wo er die Grundsteine seiner medizinischen Ausbildung und Laufbahn legte. Am Kantonsspital Liestal und am Universitätsspital Zürich vertiefte er seine Kenntnisse der Inneren Medizin und der Infektiologie. Er arbeitete dort unter der Leitung von HIV-Experte Ruedi Lüthy und sammelte wertvolle klinische Erfahrungen.
Von 1990 bis 1993 war er Postdoc am Institut für Experimentelle Immunologie von Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel. Er widmete sich der Virus-Wirt-Interaktion und Fragestellungen im Zusammenhang mit der Impfstoffforschung. Später forschte er an den National Institutes of Health in Bethesda, Maryland, in den Laboratorien von Jay H. Hoofnagle und Stephen M. Feinstone, wo er sich schwerpunktmässig mit der Immunabwehr gegen das Hepatitis-C-Virus beschäftigte.
Ich weiss: In diesem Zusammenhang von einer Infektion zu sprechen, ist irgendwie unangebracht. Aber die Viren hatten es ihm definitiv angetan. Er ist sozusagen vom Virus der Viren angesteckt worden.
Ein neues und äusserst bedrohliches Virus breitete sich in den 1980er-Jahren weltweit aus und erreichte auch die Schweiz. Auch hierzulande ging die Angst um vor dem HI-Virus und AIDS. Damals wusste man noch sehr wenig über das Virus, welches das Immunsystem befällt, den Körper zunehmend schwächt und ihn damit anfällig macht für ansonsten harmlose Krankheiten.
Eine HIV-Infektion war ein Todesurteil.
Lieber Manuel
Die HIV-Epidemie hat die Schweiz erschüttert. Du standest an vorderster Front.
Du warst Treiber der Swiss HIV Cohort Study, einer Langzeitstudie, die Patientinnen und Patienten systematisch begleitete und dabei das Virus, seine Ausbreitung und seine Reaktion auf Therapien untersuchte.
Dank diesen Studien konnten später Kombinationstherapien entwickelt werden, die aus der tödlichen Krankheit AIDS eine behandelbare chronische Krankheit machten. Dass eine HIV-Infektion heute nicht mehr ein Todesurteil ist, ist ein Meilenstein der Medizingeschichte. Ein Meilenstein, zu dem du sehr direkt und massgeblich beigetragen hast. Schon allein dafür gebührt Dir eine Ehrung!
Um diesen Meilenstein zu erreichen, brauchte es nicht nur medizinisches Wissen, sondern auch enge interdisziplinäre Zusammenarbeit: Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Sozialarbeiterinnen, Psychologen und Forschende aus Basel, Genf, Zürich und international – alle trugen ihren Teil zu einem besseren Verständnis von HIV und seiner verheerenden Wirkung bei.
Bis heute profitieren unzählige Patientinnen und Patienten in der Schweiz und auf der ganzen Welt von dieser Arbeit. Sie zeigt, was möglich ist, wenn Wissenschaft, Engagement und Menschlichkeit zusammenkommen.
Du, lieber Manuel, vereinst alle drei quasi in Personalunion.
Kaum irgendwo ist diese Kraft so sichtbar und fassbar wie in Ifakara, im ländlichen Tansania. Der Name «Ifakara» bedeutet in der lokalen Sprache «Der Ort, an dem man stirbt». Jahrzehntelang starben hier Menschen – zuerst an Malaria, dann an AIDS und anderen übertragbaren Krankheiten.
Gemeinsam mit dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut, dem Universitätsspital Basel und tansanischen Partnern des Ifakara Health Instituts hast du dort die Chronic Disease Clinic Ifakara – kurz CDCI – aufgebaut.
Die Klinik mitsamt Forschungszentrum behandelt HIV, Tuberkulose sowie chronische Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck. Sie verfügt über eine Biobank, in der Blutproben und biologische Daten für Forschung und Monitoring systematisch gesammelt werden. Die Klinik hat die Versorgung revolutioniert: Zehntausende Patientinnen und Patienten erhalten heute kontinuierliche Betreuung. Schwangere bekommen rechtzeitig Therapie, die Mutter-Kind-Übertragungsrate von HIV ist drastisch gesunken. Daten aus der Biobank ermöglichen laufend Optimierungen der Behandlung und präventive Strategien – ein Paradebeispiel für evidenzbasierte und praxisnahe Medizin.
Als Präsidentin des Verwaltungsrates des Swiss TPH hatte ich vor zwei Jahren Gelegenheit, Ifakara und auch die Klinik zu besuchen und war absolut beeindruckt. Die Arbeit in Ifakara zeigt eindrücklich, dass Globale Gesundheit funktioniert. Dank Zusammenarbeit, Respekt sowie langfristigem und hartnäckigem Engagement.
Globale Gesundheit ist nicht zu verwechseln mit «Hilfe» oder «Philanthropie». In einer mobilen und vernetzten Welt ist sie überlebenswichtig, umso kurzsichtiger und unverständlicher sind die aktuellen massiven Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit, an erster Stelle seitens USA, aber von fast allen industrialisierten Ländern inklusive der Schweiz. Das ist auch nicht in unserem eigenen Interesse.
Wie eng die Welt global vernetzt ist, auch im Bereich Gesundheit, hat uns zuletzt die Corona-Pandemie bewiesen.
Meine Damen und Herren
Als SARS-CoV-2 die Schweiz erreichte, ging Manuel Battegays Puls hoch. Als führender Experte wurde er Mitglied der wissenschaftlichen Task Force des Bundes und war längere Zeit deren Vizepräsident. Er interpretierte Daten, erklärte Modelle und lieferte wissenschaftliche Grundlagen für politische Entscheide. Gleich zweimal war er Teil einer Delegation von Forschenden, die vom Gesamtbundesrat eingeladen worden war. Eine Ehre, die nur ganz wenigen Expertinnen und Experten vorbehalten ist.
Manuel Battegays Stimme war eine Stimme der Wissenschaft und der Vernunft. Und sie wurde gehört. In den Medien argumentierte er fundiert, transparent, verständlich und ehrlich. Er machte dabei auch immer wieder klar, dass Wissenschaft nicht heisst, alles zu wissen. Sondern dass es auch immer darum geht, trotz Unwissen und Unbekanntem gute Lösungen zu finden.
Seine Fähigkeit, Wissenschaft verständlich zu machen und gleichzeitig Vertrauen zu vermitteln, half uns allen auch unpopuläre Massnahmen und Entscheidungen nachzuvollziehen und zu akzeptieren. Gekonnt schlug er die Brücke von der Wissenschaft zur Gesellschaft.
Brückenbauer – das ist eine Charaktereigenschaft von Manuel Battegay, die sowieso heraussticht. Nicht nur zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Sondern auch im Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen.
Neben der medizinischen Arbeit engagierte sich Manuel Battegay nämlich auch als Präsident der Israelitischen Gemeinde Basel. Er setzte sich für den interreligiösen Dialog ein, förderte das Verständnis zwischen jüdischer und anderen Religionsgemeinschaften und baute Brücken in die Gesellschaft.
Auch das ist heute leider nötiger denn je.
Lieber Manuel
Du bist ein Mann mit vielen Facetten: Arzt, Forscher, Lehrer, Präsident, Coach, Familienmensch. Und authentisch, warmherzig und humorvoll geblieben. Wer dir begegnet, spürt sofort: Hier ist jemand, der zuhört, nachdenkt, Verantwortung übernimmt – und dabei nie die Menschlichkeit vergisst.
Dein Lebensweg ist beeindruckend und ermutigend zugleich. Er zeigt: Wissenschaft kann nahbar, kooperativ und menschlich sein, Führung kann klar, besonnen und respektvoll sein und internationale Vernetzung kann Leben retten.
Wenn wir uns auf der Welt umschauen, brauchen wir diesen Mutmacher: Wissenschaft wird verunglimpft, Menschlichkeit als Schwäche abgetan. Wir brauchen Wissenschaft, Engagement und Menschlichkeit mehr denn je!
Wir brauchen Persönlichkeiten wie dich mehr denn je!
Du hast Basel, die Schweiz und Tansania geprägt – mit Kompetenz, Haltung, Herz – und einem feinen Sinn für Humor.
In Basel sagen wir: Härzligge Dangg!
In Tansania: Asante sana!
Im Namen aller gratuliere ich dir herzlich zum Anerkennungspreis der Vereinigung für eine Starke Region Basel/Nordwestschweiz 2025 – und weit darüber hinaus. Und gleichzeitig gratuliere ich auch dem Wahlgremium: Es hätte keine besser Wahl treffen können!
Herzlichen Glückwunsch – und bleib bitte genauso, wie du bist: ein kluger Kopf mit warmem Herzen.