Symposium: «Weiblich, sportlich – chancengleich!»
Samstag, 12. Oktober 2024, 9h – 13h, Lounge Stadion St. Jakob-Park, Basel
Bedeutung der UEFA Women’s EURO 2025 für die Gleichstellung der Frauen in Sport und Gesellschaft in der Schweiz
Sehr geehrter Herr Regierungsrat, lieber Mustafa Atici
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem nationalen und aus kantonalen Parlamenten
Geschätzte Athletinnen
Liebe Fussballerinnen
Meine sehr geehrten Damen und Herren
Ich freue mich ausserordentlich, den Weltmädchenfussball-Tag mit Ihnen und mit rund 1’500 fussballbegeisterten Mädchen hier in Basel zu begehen und ich freue mich schon jetzt riesig auf die Austragung der UEFA Women’s EURO nächstes Jahr in der Schweiz.
Als Baslerin bin ich geehrt, dass unsere Stadt Hauptaustragungsort für die Frauenfussball EURO sein wird und als Historikerin komme ich nicht umhin, mit Genugtuung einen Blick in die Vergangenheit zu werfen: 1957 stiess nämlich ein geplantes «Frauen-Fussball-Länderspiel» zwischen Holland und Deutschland in Basel noch auf grossen Widerstand. Der Schweizerische Fussball- und Athletikverband distanzierte sich von dem Vorhaben und erklärte, das Turnier sei «eher als Schauspektakel oder Zirkusnummer» einzuordnen und solle deshalb nicht in Basel stattfinden.
68 Jahre später, am 2. Juli 2025 findet nun genau hier das Eröffnungsspiel der UEFA Women’s EURO statt, dem grössten Frauensportanlass in Europa. Niemandem, absolut keinem, käme es in den Sinn, diesen sportlichen und wirtschaftlichen Meilenstein als «Zirkusnummer» kleinzureden.
16 europäische Frauenfussball-Teams werden in Basel, Zürich, Bern und Genf, in St. Gallen, Luzern, Sion und Thun um den Europameisterinnen-Titel spielen, und es werden etwa 700'000 Fussballfans erwartet. Eine halbe Milliarde Menschen aus der ganzen Welt - eine halbe Milliarde! - werden während 25 Tagen am Fernsehen die Spiele in den Schweizer Stadien verfolgen. Damit ist die Frauenfussball EURO 2025 ein Leuchtturmprojekt für den Standort Schweiz, weit über den Sport hinaus.
Als Ständeratspräsidentin bin ich stolz darauf, dass der einstimmige Impuls, die finanzielle Unterstützung des Bundes für diesen internationalen Grossanlass auf 15 Millionen Franken zu erhöhen aus der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates kam. Das Plenum von Ständerat und Nationalrat konnten gar nicht anders, als dem Antrag zuzustimmen.
Die Frauenfussball EURO 2025 wird ein riesiges Fussballfest für die Schweiz und für Europa. Wir - und damit meine ich die Sportwelt, die Politik, die Wirtschaft - sind alle bemüht darum, diesen Anlass nachhaltig zu nutzen. Denn Sport ist ein wichtiger Teil unserer Kultur und unserer Gesellschaft. Sport bildet den Status quo ab und ist gleichermassen eine Arena, in der neue Möglichkeiten erkämpft werden.
Meine Vorrednerinnen haben die rasanten Entwicklungen im Frauenfussball eindrücklich dargestellt. Und dennoch, ganz sind wir noch nicht dort, wo wir sein wollen:
Wir sprechen nicht von Männerfussball und von Frauenfussball, sondern von Fussball und Frauenfussball. Es heisst UEFA EURO und UEFA Women’s EURO. Dialektisch wird im Sport immer noch unterschieden zwischen der Originalform und einer anderen Form, die auch Frauen ausüben können. Obwohl die Regeln heute dieselben und die Bälle gleich rund sind.
Wenn wir von der Schweizer Nati lesen, dann sehen wir Bilder von Akanji, Kobel oder Rodriguez. Alles hervorragende Spieler, zweifellos. Aber die Schweizer Nati, das sind auch Sow, Crnogorcevic, Wälti und viele mehr.
Sie haben auf der Einladung gelesen, dass ich als Ständeratspräsidentin zu Ihnen spreche, aber auch als Autorin eines Buchs. 1995 erschien meine Dissertation «Frisch, frank, fröhlich, frau» zur Geschichte des Frauenturnens im Kanton Basel-Landschaft im Rahmen der neuen Baselbieter Kantonsgeschichte. Dabei ging es um die sporthistorische Aufarbeitung dieses Breitensports in den 20er und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie mögen jetzt denken, dass das schrecklich weit zurückliegt und überhaupt, ist Turnen und Fussball nicht vergleichbar. Oder doch?
Beim Sport im engeren Sinn geht es um nach Zentimetern, Gramm und Sekunden messbare, in Konkurrenz mit anderen erbrachte Leistungen. Sportveranstaltungen, das waren lange Jahrzehnte Männer, die Wettkämpfe ausübten, die siegten und Rekorde brachen auf der einen Seite – und Frauen, die ihnen zujubelten auf der anderen Seite. Der sportliche Wettkampf wurde und wird manchmal immer noch, als im Wesentlichen «männlich» präsentiert.
Nach endlosen Diskussionen fanden an Frauenturntagen dann zwar auch Wettkämpfe statt, die Namen der Siegerinnen wurden jedoch nicht bekanntgegeben. Mit dem Argument «Wettkampf ist unweiblich» suchte man die Frauen von der Richtigkeit dieser Weisungen zu überzeugen.
Gerne wurde auch der bedrohliche Charakter des Wettkampfs angeführt, vor dem Frauen beschützt werden sollten. Die sogenannten Turnväter warben in den Turnschriften für ein gewisses Mass an Bewegung von Frauen, da gesunde Frauen auch gesunde Kinder gebären würden. Denn die natürliche Bestimmung der Frau war ja die Mutterschaft. Aber zu wild sollten die Bewegungen nicht sein, fürchtete man zu Beginn des 20. Jahrhunderts doch, dass durch übermässige Erschütterungen den innern Organen der Frau Schaden zugefügt werden könnte….
«Meinen» Turnerinnen akzeptierten den Rahmen, der als schicklich erachtet wurde. Aber sie turnten genauso aus Freude an der Bewegung und der Leistung wie Männer auch – und nicht um gesunde Mütter zu werden. Sie scheuten weder den öffentlichen Auftritt an den Turnfesten noch den Wettkampf. Auf diese Weise eroberten sie sich auch einen Teil des öffentlichen Raums.
Mit den 25 Tagen UEFA Women’s EURO, die vor uns liegen erobern sich Europas Fussballerinnen die Weltbühne.
Meine Damen
Mit Ihren Leistungen und mit Ihrem Engagement, sei dies als Fussballspielerinnen, als Trainerinnen, als Organisatorinnen, mit Ihrer Freude am Wettkampf, an der Leistung und am Erfolg, tragen Sie dazu bei, die Sichtbarkeit von Frauen in der Gesellschaft zu erhöhen. Sie schreiben an der Geschichte weiter, die so viele Sportlerinnen vor ihnen begonnen haben. Eine Geschichte von Frauen, die Stärke, Durchhaltevermögen und Führungskraft beweisen. Sie sprengen die restlichen gesellschaftlich vorgegebenen Grenzen. Sie sind Rollenvorbilder für Mädchen und Frauen, ihre eigenen Wünsche und Ziele zu verwirklichen. Im Sport und darüber hinaus.
Lassen Sie uns also heute diesen Weltmädchenfussballtag frisch, frank und fröhlich zelebrieren und lassen Sie uns diesen 12. Oktober als Auftakt für UEFA Women’s EURO 2025 feiern. Freuen wir uns gemeinsam auf die Spiele, freuen wir uns gemeinsam auf die Feste und freuen wir uns, Teil dieser aufregenden Fussball- und Frauengeschichte zu sein!
EH/12.10.2024