Rede Eva Herzog

99. Generalversammlung der SRG Region Basel


29.4.2025, 18 Uhr, Stadion St. Jakob-Park


Sehr geehrter Herr Landratspräsident, lieber Peter
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Sonja
Sehr geehrte Frau Direktorin, liebe Nathalie
Lieber Caspar Selg
Liebe Vorstandsmitglieder
Liebe Genossenschafterinnen und Genossenschafter
Sehr geehrte Gäste

Was für einen schönen Ort haben Sie sich ausgesucht für Ihre diesjährige 99. Generalversammlung: unser Joggeli. Ein Ort, der schon soviele Emotionen gesehen hat und noch sehen wird: untröstliche oder vor Glück strahlende und johlende Fussballfans, diesen Sommer einmal den Frauen die grosse Bühne überlassend, früher auch hier im Stadion Konzerte, und schon in wenigen Tagen beginnt der ESC-Rausch. Ich gehöre zur Waterloo Generation, liebe heute ABBA mehr als damals, weil ich nicht mehr so cool sein muss... «Thank you for the music» gehört an den Schluss jedes anständigen Tanzabends, ein Schluss, bei dem alle mitsingen dürfen....

Aber heute ist mir hier nicht so schwärmerisch zumute, das müssen Sie mir verzeihen.

Und Nathalie Wappler muss mir verzeihen, wenn ich mich zum Einstieg in meine Begrüssung am Titel ihres Referates abarbeite: «Weniger Budget, mehr Wirkung: SRF im Wandel».

SRF und die SRG müssen den Weg für die Zukunft aufgleisen, auf neue Hörgewohnheiten der jüngeren Generation eingehen, diese zum Teil erst für sich gewinnen – und dabei die ältere Generation, die treuen Stammhörer:innen nicht verlieren. Dazu müssen neue Formate gefunden werden, neue Kanäle bespielt, es geht um Modernisierung, als Ergänzung - wie dies ohne zusätzliche Mittel geschehen soll, ist mir absolut schleierhaft. Mit weniger Budget, mehr Wirkung. Nein, das glaube ich nicht und ich sehe es als meine Aufgabe an, meine Möglichkeiten, die ich als Politikerin habe, dafür einzusetzen, dass die momentane Erosion der finanziellen Mittel nicht ins Bodenlose weitergeht.

Die Werbeeinnahmen gehen zurück, der Bundesrat richtet die Teuerung nicht aus. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, beschliesset er angesichts der unseligen «SRG-Initiative», welche die Gebühren auf 200 Franken senken will, in völlig unnötigem vorauseilendem Gehorsam auf Verordnungsebene eine schrittweise Gebührensenkung bis 2029 von heute 335 auf 300 Franken und die Befreiung eines grossen Teils der Unternehmen von der Abgabe.

Und was hat er damit erreicht? Dass die Initianten ihr Vorhaben befriedigt zurückgezogen haben? Weit gefehlt. Bedankt haben sie sich, und zwar dafür, dass alle Gegenvorschläge, die seither in Bern gebastelt werden, nicht mehr einen Mittelweg zwischen heute und der Initiative suchen, sondern zwischen der Verordnungsänderung des Bundesrates und der Initiative! Und BR Rösti schaut unschuldig und sagt, ist alles gut gemeint, wir haben eben schon einen indirekten Gegenvorschlag gemacht.

Die zuständige Kommission des Ständerates hat bisher alle Ideen ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission tapfer abgelehnt. Und heute hat die nationalrätliche Kommission weitere Ideen für Gegenvorschläge abgelehnt wie auch die Initiative selber, mit 17 zu 8 Stimmen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird auch im Plenum des Nationalrates kein Gegenvorschlag eine Mehrheit erreichen, auch im Ständerat nicht – dann werden wir im 2026 lediglich über die Initiative abstimmen. Und dann müssen wir uns alle hinter Bundesrat Rösti scharen und nicht unschuldig, sondern dezidiert schauen und sagen: Nicht weiter als 300 Franken, das ist schlimm genug – ein klares Nein zur Initiative!

Was vielen nämlich nicht bewusst ist: Erstens hat die SRG seit 2018 bereits 100 Millionen Franken eingespart. Und zweitens haben die bereits kommunizierten Sparmassnahmen, die auch schmerzhafte Einschnitte am Programm beinhalten und zum Glück zu vielen Protesten geführt haben, mit der Umsetzung der vom Bundesrat beschlossenen Verordnungsänderung noch gar nichts zu tun. Nach Informationen der SRG macht die Verordnungsänderung bis 2029 insgesamt Einsparungen von 270 Mio. Franken notwendig, das sind, rund 17% des gesamten Budgets. Dies bei einem Budget von 1.25 Milliarden Franken und einem Service Public-Auftrag, der die ganze Schweiz mit ihren vier Sprachregionen abdecken soll. Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, wie das gehen soll. Das ist ein Kahlschlag, was wird von der heutigen SRG übrig bleiben?

Aber das ist ja das, was die Initianten bezwecken: sie behaupten gar nicht ernsthaft, dass man mit weniger Geld dasselbe machen könne. Das ist gar nicht das Ziel. Sie wollen den Kuchen aufteilen, an die Privaten verteilen. Dabei macht dies keinen Sinn: Studien belegen, dass ein starker gebührenfinanzierter Journalismus auch die Privaten stärkt.
Und was ist das Hauptargument derjenigen, die schon hinter «no billag» standen und es jetzt mit einer vermeintlich sanfteren Initiative versuchen? SRF sei links. Ach ja? Was ist links? Der Samschtigsjass oder Glanz & Gloria bzw. Gesichter und Geschichten? Die Reportagen über Tiere aus aller Welt? Die Serien? Oder «SRF bi de Lüt»? Die Arena oder die Rundschau, wo alle grilliert werden, die argumentativ nicht sattelfest sind? Die Tagesschau, die ich aufgrund ihrer Ausgewogenheit je nach Ereignis durch die deutsche Tagesschau ersetze, wo Klartext gesprochen wird?

Ich könnte ewig so weiter machen, will Sie aber nicht langweilen, nicht zuletzt deshalb, als Sie, die hier anwesenden ja sowieso meiner Meinung sein dürften. Es ist eher ein Aufruf dazu, dass wir uns äussern müssen, sehr laut werden müssen in den kommenden Monaten.

Eine funktionierende Demokratie braucht starke Medien und insbesondere eine starke SRG.

Eine funktionierende Demokratie braucht unabhängige Medien, die nachfragen, einordnen, aufklären.

Dass dies heute weniger selbstverständlich ist denn je, können wir jeden Tag in allen Zeitungen lesen und auf allen Kanälen hören und sehen. Sollen wir das einfach so hinnehmen?

Im Moment tun mir zum einen Satiresendungen am besten. Wenn ich herzlich über Donald-Imitiationen lachen kann, dann gibt mir das Kraft zum Durchhalten! Zum anderen brauche ich Analysen von gescheiten Leuten – es kommt ja nicht von ungefähr, dass Trump und Vance den Universitäten den Kampf angesagt haben.

Zu diesen gescheiten Leuten gehört die bedeutende Journalistin und Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum. Sie beschreibt in ihrem Buch über Autokraten (Die Achse der Autokraten, 2024) einen Mechanismus, der uns allen inzwischen täglich begegnet:

Autokratische Machthaber streuen gezielt verwirrende Informationen.
Sie behaupten etwas – nur um es kurz danach wieder zurückzunehmen.
Sie schaffen nicht Klarheit, sondern Zweifel. Nicht Wahrheit, sondern Verwirrung. Denn in dieser Verwirrung verliert sich Orientierung. Und wo Orientierung fehlt, da wächst das Misstrauen – gegenüber allem, was nicht in die eigene Welt passt.

Und dies bereitet dann den Boden für die einseitige Informationspolitik der Autokraten.

Dagegen brauchen wir Medien, die recherchieren statt spekulieren.
Die aufklären statt aufheizen. Die einordnen statt einseitig zuspitzen.

Und dafür braucht es Geld. Was jetzt weggestrichen wird, kommt nicht wieder.

Und was von Basel nach Zürich verlegt wird, wie es jetzt offenbar schon teilweise geschieht, bei den Schnittplätzen, aus Effizienzgründen, das kommt auch nicht wieder.

Und hier kommen Sie ins Spiel, liebe Anwesende, dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. Die Nachrichtensendungen aus dem Studio Bern sind schon heute bernlastig, als ob Bern der Nabel der Welt wäre. Und das Fernsehen aus Zürich ist zürichlastig, auch wenn die Musik nicht nur in Zürich spielt. Wir werden für den Standort Basel kämpfen, für Wissenschaftssendungen, die nicht zu Ratgebersendungen werden und für kulturelle Beiträge, die sich von Gala unterscheiden....

Liebe Anwesende,
eine Schweiz ohne die SRG und SRF – ja, sie ist möglich. Aber sie wäre schlechter informiert, weniger solidarisch und weniger von Zusammengehörigkeit getragen, ideologischer, ausgrenzender. Es ist wie mit den neuen Verträgen mit der EU: natürlich geht es ohne, es geht immer auch anders. Aber warum den schlechteren Weg wählen, wenn der bessere zu haben ist?

Nehmen wir die aktuellen geopolitischen Umwälzungen als Weckruf und setzen wir uns ein, für das, was uns wichtig ist.

Ich freue mich auf den weiteren Verlauf des Abends mit Ihnen und danke für die Aufmerksamkeit.

Eva Herzog/29.4.2025