Internationales Literaturfestival BuchBasel, Eröffnung


Volkshaus, 15. November 2024, 18h
Grusswort Eva Herzog, Präsidentin des Vereins LiteraturBase

Sehr geehrte Frau Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Conradin Cramer
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Mustafa Atici
Dear Chimamanda Ngozi Adichie
Liebe Marion Regenscheit und Team des Festivals
Liebe Katrin Eckert, Leiterin von LiteraturBasel
Liebe Mitglieder des Grossen Rates
Liebe Vorstandsmitglieder, liebe Sponsorinnen und Sponsoren und Geldgebende
Meine sehr geehrten Damen und Herren
Ich freue mich sehr, Sie zur Eröffnung des diesjährigen Festivals zu begrüssen. Einmal mehr ist es eine Freude in diesen Saal zu schauen, bis auf den letzten Platz besetzt mit literaturbegeisterten Menschen, voller Vorfreude auf das bevorstehende Wochenende mit einem Feuerwerk an Lesungen, Diskussionen und Performances – Literatur pur.
Ich war sofort sehr angetan vom diesjährigen Motto des Festivals: «Schwärmen». Gerade in diesen Zeiten, wo einen ob all der Negativschlagzeilen der Mut verlassen könnte.
Ins Schwärmen geriet ich auch, als Kamala Harris anstelle von Joe Biden ins Rennen um die US-Präsidentschaft stieg. Plötzlich schien wieder alles möglich. Ich sah einen Lichtstreifen am Horizont und war entsprechend schwer enttäuscht vor einer Woche. Ich lese Analyse um Analyse und versuche zu verstehen. Zu verstehen, wie eine Mehrheit der Amerikaner und auch der Amerikanerinnen jemanden wählen kann, der keinen Anstand hat, diejenigen niederbrüllt, die anderer Meinung sind, für den es eine Wahrheit gibt, nämlich die eigenen Behauptungen, der angeklagt bzw. schon verurteilt ist – jemand, der all das verkörpert, von dem ich einmal gelernt habe, dass man es nicht tut.
Ich möchte hier keine eigene Analyse liefern oder gar eine Prognose dazu machen, was die Trump-Regierung von ihren Plänen tatsächlich wird umsetzen können in den nächsten vier Jahren.
Aber wir werden viel positive Energien brauchen. Constantin Seibt’s finstere und messerscharfe Analyse im Online-Magazin «Republik», worin er darlegt, wie es zu diesem Sieg kommen konnte und was die Auswirkungen sein könnten, beginnt mit unerwarteten Worten, die auch Tage später noch in mir nachklingen, weshalb ich sie mit Ihnen teilen möchte:
Constantin Seibt schreibt:
«Das wahrscheinlich Klügste, was Sie tun können (eben, nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA):
• Reservieren Sie Zeit für den Menschen an Ihrer Seite, für die Kinder – und wen Sie sonst noch lieben.
• Treffen Sie öfter als bisher Ihre Freundinnen.
• Ändern Sie zumindest eine Gewohnheit für Ihre Gesundheit.
• Machen Sie eine Liste mit Dingen, die Sie glücklich machen. Und tun Sie das alles.
• Sehen Sie sich vor allem Filme und Serien an, bei denen Sie ein paar Zentimeter grösser aufstehen, als Sie sich gesetzt haben. Das Gleiche gilt für die Bücher, die Sie lesen.
• Seien Sie im Zweifel freundlich.»
Wunderschön, nicht wahr? Nicht aufgeben, nicht fatalistisch sein, positiv sein und spüren, dass wir nicht alleine sind – und dass es immer besser ist, etwas zu tun, etwas zu probieren, als im vorneherein aufzugeben.
Unser heutiger Ehrengast hat genau diese positive, mitreissende Energie, die bewirkt, dass es nicht zum «Must» wird, sich zu engagieren, sozusagen einem erhobenen moralischen Zeigefinger folgend, sondern weil man fürchtet, etwas Wunderbares zu verpassen, wenn man sein Schneckenhaus nicht verlässt. Wir sind überglücklich, dass Chimamanda Ngozi Adichie heute die Eröffnungsrede halten wird.
In ihren Werken finden sich kraftvolle Figuren, Frauen, die gesellschaftliche Normen hinterfragen, die unkonventionell denken und gross träumen. Das gilt auch für die Autorin selber und sie tut es voller Energie und mit viel Humor. Gut gemeinten Ratschlägen, sich nicht als Feministin zu bezeichnen, denn das habe so einen negativen Klang, begegnete sie schon 2012 in einer Rede mit der fröhlichen Erwiderung, dann sei sie eben «A Happy African Feminist», und als das nicht reichte, legte sie noch einen drauf: «A Happy African Feminist Who Does Not Hate Men»! Und sie drehte den Spiess einfach um und rief «We Should All Be Feminists!».
Wenn ich Chimamanda Ngozi Adichie zuhöre, komme ich ins Schwärmen und bekomme Lust darauf, mich weiterhin zu engagieren, gegen Diskriminierung und zum Beispiel für die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen, welche die Grundlage ist für jegliche Gleichstellung.
Gesellschaftliches Engagement braucht Gleichgesinnte, Vorbilder, Kopf und Bauch.
Unvorstellbar, dass Bücher von Adichie verboten werden – in den USA ist aber ihr Buch «Blauer Hibiskus» an einigen Schulen tatsächlich verboten worden. Laut PEN America wurden allein im Schuljahr 2023/2024 mehr als 4’200 Bücher verboten. Betroffen sind Werke, in denen es um Rassismus oder queere Menschen geht. Es trifft aber auch Bücher wie das «Tagebuch der Anne Frank» oder einen Comic über den Holocaust. Dies in den USA, nicht in irgendeiner fernen Diktatur. Gegen solche Entwicklungen müssen wir uns wehren, wo immer wir sind. Geschichtsbücher umschreiben, Indoktrination, Bücher verbieten – es beginnt schleichend, und ist brandgefährlich. Solche Aktionen bereiten den Boden für totalitäre Ideologien. Einfache Wahrheiten und Fake News spielen Autokraten in die Hände.
Geschätzte Anwesende
Sauberes Wasser, genügend zu Essen, ein Dach über dem Kopf und Bildung – diese Grundbedürfnisse sollten alle Menschen befriedigen können.
Bildung, Horizonterweiterung, Erkenntnisse über die eigene Lebensumwelt hinaus, über die eigene Geschichte und diejenige anderer Kulturen – für das gegenseitige Verständnis und ein friedliches Zusammenleben ist dies unverzichtbar.
Dazu leistet die BuchBasel mit ihrem vielseitigen Programm einen Beitrag, indem sie Autor:innen aus aller Welt nach Basel bringt. In diesem Jahr etwa aus Nigeria, Indonesien, Dänemark, Schweden, Ruanda, England und vielen anderen Ländern.
Gleichzeitig bietet das Festival gemeinsam mit dem Schweizer Buchpreis eine Bühne für das Schweizer Literaturschaffen. Dieses Zusammentreffen von lokaler und internationaler Literatur in dieser Grösse ist in der Schweiz einmalig.
In unbaslerischer Bescheidenheit wage zu behaupten, dass sich Basel allmählich zur Literatur-Hauptstadt der Schweiz entwickelt...
Haben Sie ausserdem festgestellt, dass dieses Jahr 3 von 5 Nominierten für den Schweizer Buchpreis aus Basel sind?
Das freut mich sehr – aber ich gratuliere natürlich allen Nominierten…
Liebe Literaturfreund:innen – eigentlich muss ich Ihnen allen hier im Saal nicht vorschwärmen, was das Team von LiteraturBasel für einen guten Job macht. Die steigenden Besucher:innenzahlen der vergangenen Jahr und Ihre Anwesenheit heute Abend sind beredtes Zeugnis dafür.
Gerne möchte ich Ihnen als Präsidentin dieses Vereins aber etwas versprechen: Vielfalt, Relevanz, Neugierde und Innovation sind und werden weiterhin treibende Kräfte sein für die Literaturvermittlung, die hier betrieben wird. Unser Bemühen ist es, verschiedene Stimmen und Perspektiven zusammenkommen zu lassen und einen Ort für kulturellen Austausch zu schaffen.
Damit wünsche ich uns allen ein bereicherndes Festival voller Entdeckungen, Erkenntnisse, voller Schwärmereien und vor allem voller Geschichten, die uns bewegen und in Zeiten wie diesen vereinen.
Gerne übergebe ich nun das Wort an Conradin Cramer, Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt.
EH/15.11.2024