Meinungsbeitrag von Eva Herzog, Präsidentin des Kuratoriums des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts und Ständerätin, erschienen in der NZZ am Sonntag vom 27. Juli 2025

Globale Gesundheit: Eine kluge Investition für die Schweiz

 

Es ist eine Erfolgsgeschichte: Investitionen in Forschung, Innovation und öffentliche Gesundheit haben in den letzten Jahrzehnten Millionen von Leben gerettet, Gesundheitssysteme gestärkt und den Zugang zur Gesundheitsversorgung weltweit verbessert.

Bei Malaria konnten dank internationaler Anstrengungen seit 2000 über zwei Milliarden Krankheits- und fast 13 Millionen Todesfälle verhindert werden. Diese Zahlen stehen für Kinder, die gesund aufwachsen, für resiliente Dorfgemeinschaften und für Volkswirtschaften mit Entwicklungsperspektiven.

Dieser Fortschritt steht jetzt auf dem Spiel – mit Folgen nicht nur für den globalen Süden, sondern auch für uns in der Schweiz.


Pflegerin mit Baby in Klinik im Kongo (DRC). Foto: Justin Makangara, Fairpicture/Swiss TPH

Zuletzt hat sich das Finanzierungsumfeld dramatisch verändert. Die USA – bisher grösster Geldgeber für globale Gesundheit – haben ihre Entwicklungsagentur aufgelöst und die Gelder für öffentliche Gesundheit und Forschung drastisch reduziert. Bis dato hat USAID pro Jahr rund 10 Milliarden Dollar in Programme zur Bekämpfung von Malaria, Tuberkulose und HIV sowie in die Stärkung von Gesundheitssystemen investiert.

Diese Mittel sind auf einen Schlag weg – und mit ihnen der Zugang zu Diagnostik und lebenswichtigen Medikamenten für Millionen von Menschen. Langjährige Partnerinstitutionen der Schweiz, wie das Ifakara Health Institute in Tansania, mussten bereits Mitarbeitende entlassen und wichtige Programme einstellen. Fachleute schätzen, dass es aufgrund der USAID-Kürzungen allein in diesem Jahr 15 Millionen Malariafälle und über 100’000 Todesfälle mehr geben könnte.

Der Rückzug der USA aus der Gesundheitszusammenarbeit untergräbt auch die kollektive Fähigkeit, Gesundheitsrisiken früh zu erkennen und koordiniert zu reagieren. In einer vernetzten Welt hat dieser Abbau auch Folgen für die Schweiz. Spätestens seit der COVID-19-Pandemie wissen wir: Krankheitserreger kennen keine Grenzen. Die Tigermücke ist inzwischen auch hierzulande heimisch – und eine Übertragung von Denguefieber damit nur noch eine Frage der Zeit. Frühwarnung und internationale Kooperation sind im Krisenfall für unsere Sicherheit und Handlungsfähigkeit zentral.


Labor am Swiss TPH. Foto: Joachim Pelikan, Swiss TPH

Globale Gesundheit ist aber auch eine treibende Kraft für Innovation und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Die Schweiz beherbergt eines der führenden Life-Sciences-Ökosysteme weltweit. Globale Unternehmen wie Novartis und Roche, die Biotech-Branche, die ETH Zürich, die EPFL und die Universitäten, aber auch spezialisierte Institute wie das Swiss TPH tragen nicht nur zur Lösung grosser Herausforderungen bei, sondern profitieren auch vom Schweizer Engagement in der globalen Gesundheit. Ebenso unsere Nachwuchsforschenden.

Auch das internationale Genf profitiert. Seit der Jahrtausendwende haben Organisationen wie die WHO, der Global Fund oder die Impfallianz Gavi in der Schweiz hunderte Millionen Franken ausgegeben. Schweizer Anbieter, vom Grossunternehmen bis zum spezialisierten KMU, gehören zu den weltweit wichtigsten Partnern für Diagnostik, Arzneimittel, Logistik und technische Lösungen.

Schweizer Fachwissen ist international gefragt, von psychischer Gesundheit über Lebensmittelsicherheit bis hin zu digitaler Epidemiologie. Die damit verbundene Wissenschaftsdiplomatie stärkt das Vertrauen in die Schweiz. Gleichzeitig liefern Innovationen aus anderen Ländern wertvolle Impulse für unser eigenes System.

Schweizer Institutionen stehen nun jedoch unter Druck, die Auswirkungen des US-Rückzugs sind bereits spürbar. Während ein stärkeres Engagement nötig wäre, sieht sich die DEZA mit Budgetkürzungen konfrontiert. So sieht die Strategie 2025-2028 vor, 15 % zugunsten der Ukraine umzuschichten. Diese Priorisierung ist nachvollziehbar, erfolgt jedoch auf Kosten langjähriger Partnerschaften in Subsahara-Afrika und Asien.

Gleichzeitig drohen Kürzungen bei der Forschungsförderung – etwa beim Nationalfonds. Das gefährdet Projekte, die Innovationen vorantreiben, Schweizer Expertise stärken und dafür sorgen, dass unsere Forschung und Technologien global von Bedeutung bleiben.


Mutter mit Baby und Pfleger im Spital in Tschad. Foto: Salomon Djekorgee Dainyoo, Fairpicture/Swiss TPH

Die Schweiz hat auf der internationalen Bühne stets über ihre Gewichtsklasse hinausgewirkt. Gerade in der globalen Gesundheit ist diese Führungsrolle nicht nur willkommen, sondern unerlässlich. Wir verfügen über die Institutionen, das Wissen und die Glaubwürdigkeit, um einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Jetzt ist nicht die Zeit für Rückzug. Im Gegenteil: Jetzt gilt es, unser Engagement für die globale Gesundheit zu bekräftigen. Nicht nur aus Solidarität, sondern auch als strategische Investition in unsere Widerstandsfähigkeit, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand.

Lange Version des Textes auf der Website des Swiss TPH