Grusswort - Frauenperspektiven Basel
Helen Liebendörfer / Evelyn Braun / Sara Rüedi: Frauenperspektiven Basel - Vernisage
Literaturhaus Basel, 6. September 2024
Grusswort von Ständeratspräsidentin Eva Herzog
Liebe Christiane Moeschli
Liebe Helen Liebendörfer
Liebe Evelyn Braun
Liebe Sara Rüedi
Liebe Katrin Eckert
Liebe porträtierte Frauen aus Basel
Geschätzte Anwesende
Älter werden – oder sagen wir es schöner – schon lange in Basel sein, hat viele Vorteile! Einer davon: Es ist ganz einfach, ein Grusswort zu einem so schönen Buch zu verfassen.
Das beginnt beim Glück, dass ICH nicht EINEN Ort in Basel auswählen musste, geht über die Assoziationen, die sich nur so jagten bei der Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses, beim Kreis der Frauen und der gewählten Orte bis hin zur Freiheit, die ich mir jetzt einfach nehme, eine absolut persönlich und unvollständige Würdigung dieses Buches zu machen.
Ich möchte mit Ihnen teilen, was mich mit den Frauen und Orten im Buch verbindet; um Sie so meinerseits «gluschtig» zu machen auf die Lektüre der «Frauenperspektiven».
Beginnen möchte ich mit der Helvetia auf dem Brückenkopf der Mittleren Brücke im Kleinbasel. Sie war natürlich auch eine Station auf einem Rundgang des Frauenstadtrundgangs, für den ich Mitte der 90er Jahre gearbeitet habe. Nach meiner Dissertation in Geschichte zum Thema Frauenturnen – versuchte man mir dort beizubringen, was Kulturpolitik ist.
Damals war ich auch zum ersten Mal auf dem Münsterturm. Wir haben dort Fotos gemacht, um den Rundgang zu den Theologinnen zu illustrieren.
Den Entwurf dieses Grusswortes habe ich übrigens im Zug geschrieben auf dem Weg zum Filmfestival von Locarno – frisch aus dem «Europa Dialog» am Europainstitut der Uni Basel kommend, wo sich Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden aus dem Dreiland, also aus Frankreich, Deutschlan und der Schweiz austauschten.
Wir waren uns einig, dass ein geregeltes Verhältnis zu Europa wichtig ist, und dass die Verhandlungen dazu unbedingt noch in diesem Jahr zu einem Abschluss kommen sollten. Das China-Zimmer in der Sandgrube, wo das Institut heute untergebracht ist, hat mir Susanna Burghartz vor Jahren mit Stolz gezeigt.
Fast so lang wie Susanna kenne ich Barbara Buser. Von ihr habe ich vor Jahren gelernt, was Kreislaufwirtschaft ist. Ich weiss nicht, ob das damals schon Kreislaufwirtschaft hiess. Das Prinzip dahinter hat mir auf Anhieb eingeleuchtet. Es entspricht meiner auf Nachhaltigkeit bedachten Natur. Ich sage nur: Joghurt-Deckeli sammeln in den Siebzigerjahren, Kleiderbörse und Secondhand-Shops bis heute oder keine Lebensmittel wegschmeissen – meine Restenküche ist legendär.
Bewahren und weiter nutzen gilt auch für die alte Markthalle. Wie haben Barbara und ich uns letzthin zusammen darüber gefreut, wie aus der alten Markthalle ein blühender Ort entstanden ist, wozu sie massgebliches beigetragen hat.
Wie lange ich Florianne Koechlin persönlich kenne, weiss ich nicht. Florianne in Basel NICHT zu kennen, ist unmöglich. Wäre sie heute eine Jugendliche, würde sie sich sicher auch auf Strassen und Flugpisten festkleben – vielleicht tut sie es sogar. Fast sicherlich findet sie das gut. Mit Florianne kann man sich trefflich streiten, auf gute Art. In Basel als eine „Koechlin“ gegen Gentechnologie anzutreten – das bedeutet Rückgrat. Und es steht auch für etwas, was mich an Basel immer fasziniert hat: Töchter und Söhne aus gutem Haus gehören zu den profiliertesten Vertreterinnen und Vertretern der Parteien links der SP.
Klar, das gibt es überall, aber nicht immer auf gute Weise. Doch in Basel reden alle miteinander, suchen die Verständigung. Exemplarisch selber erlebt habe ich dies nicht im AJZ – im autonomen Jugendzentrum für die Nachgeborenen – sondern bei den Besetzungen, die nach dem AJZ kamen. Die Rede ist von Orten wie: Union, Schlotterbeck, Stadtgärtnerei, Stücki – daraus ist die Werkraumbewegung entstanden, die dann ins Warteck pp mündete, die Nachnutzung der Brauerei Warteck im Kleinbasel.
Dort war ich auch einmal tätig war – nach der Kulturwerkstatt Kaserne, wo wir die Kulturgespräche veranstalteten, welche diese Bewegungen begleiteten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich übrigens begriffen, was Kulturpolitik ist – und was Lokalpolitik ist, dann kurz später.
Dass es auf dem Kasernenareal in der alten Turnhalle einen Boxclub gibt, wo auch Frauen boxen, hat mich immer fasziniert. Nicht weil ich mir vorstellen könnte, selbst zu boxen, aber ich finde es einfach grossartig! Bettina Schelker kommt nicht vor in diesem Buch. Ich habe sie auch noch nie boxen gesehen, dafür mit ihrer Band als Vorband an einer Baloise Session. Wahnsinn! Sie hat es so genossen, von den Zehenspitzen bis in die Fingerkuppen, dass sie und ihre Band diese Bühne hatten. Ich weiss im Moment nicht einmal mehr, wer die Hauptband war! Aber Beatrice Stirnimann, wird es mir sicher sagen können, sie verkörpert die Session mit Leib und Seele seit Jahren – obwohl man sie für die obligaten Ansagen jeweils auf die Bühne schubsen muss, wie man hört...
Wenn ich chronologisch vorgegangen wäre, hätte ich das Fauteuil viel früher nennen müssen. Welches Kind der Region Basel kam nicht in den Genuss der Märchenaufführungen der Familie Rasser? So richtig gefunkt hat es bei mir, als ich doch tatsächlich selber auf der Bühne stehen durfte in einer Aufführung des Märchens für Erwachsene, beim Rumpelstilzchen – also nicht ich als Rumpelstilzchen! Ich hatte als Finanzdirektorin einen Auftritt, ein Aspekt, der in der Geschichte des Märchens bisher wirklich gefehlt hat. Die grosse Rasser-Familie kennenlernen zu dürfen, zusammen mit ihr nach der Vorstellung in der Bodega feiern und singen zu dürfen – was für ein ganz grosses Privileg, das mich rührt bis heute.
Was ist das Gemeinsame und das Unterschiedliche am botanischen Garten und an einem Essen bei Tanja Grandits? Die Ehrfurcht vor Pflanzen – zum Anschauen, zum Essen und deren Farbe: Im Botanischen Garten geniessen wir die verschwenderische Darbietung der Natur, die riesige Farbenpracht. Bei Tanja Grandits habe ich erstaunt zur Kenntnis genommen, dass jeder Gang in einer Farbe gehalten ist und nicht unbedingt gilt, «möglichst bunt auf dem Teller». Also möglichst kein weisses Gemüse zu Kartoffelstock… Sorry für das banale Beispiel. Essen Ton in Ton, das imponiert mir. Farben sind mir wichtig. Habe ich beim schnellen Anziehen am Morgen eine falsche Farbwahl getroffen, passen Teile nicht zusammen, dann kann mich das sehr stören.
Liebe Anwesende
Ich sollte nicht mehr viel länger werden, möchte Sie aber noch fragen: Was haben Nubya und Tanja Klein gemeinsam, zumindest für mich: Nubya hat den Samschtigs-Jass bereichert, an dem ich als Ständeratspräsidentin teilgenommen habe und zum ersten Mal im Leben Differenzler gespielt habe... Und Tanja Klein hat mein persönliches Geschenk produziert, das ich in dieser Funktion dieses Jahr im In- und Ausland verschenke.
Und zu guter Letzt, zur Abrundung, folgende Frage: Was wäre Basel ohne seine starke Wirtschaft? Ein Provinzkaff. Und was wäre Basel ohne seine Bildungs- und Kultureinrichtungen und sein Mäzenatentum? Eine seelenlose Industriestadt.
In diesem Sinne, ich freue mich, dass Sie heute alle hier sind und mit uns im Literaturhaus diese Vernissage feiern und diesen bunten Reigen von Persönlichkeiten würdigen.
Herzliche Gratulation an die Autorinnen und die Fotografin zu Idee und Umsetzung der «Frauenperspektiven». Geniessen Sie die Lektüre und entdecken Sie diese unterschiedlichsten Perspektiven.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
EH/6.9.2024