Grussbotschaft von Ständerätin Eva Herzog
Delegiertenversammlung BPW Switzerland
14. Juni 2025, Hotel Mövenpick, Basel
Sehr geehrte Präsidentinnen
Geschätzte Mitglieder von Business Professional Women Schweiz
Sie haben sich eine speziellen Tag ausgesucht für Ihre Delegiertenversammlung: Den 14. Juni, den Frauenstreiktag.
Vor diesem Hintergrund ist mein Outfit denn auch kein Zufall oder saloppe Kleiderwahl: Dieses Fussballtrikot haben Gestalterinnen speziell für den heutigen 14. Juni entworfen. Für den Tag des Frauenstreiks im Jahr, in dem bei uns die Fussball-EM der Frauen stattfindet!

Das alles passt zudem bestens zu Ihren beiden Mottos. Ihrem Jahresmotto «Frauen im Sport» und dem Motto der heutigen Delegiertenversammlung «Frau handelt».
Der 14. Juni ist ein besonderer Tag für die Frauen. Beim ersten, grossen landesweiten Frauenstreik in der Schweiz am 14. Juni 1991 beteiligten sich Hunderttausende von Frauen an Streik- und Protestaktionen. Ich lege gleich offen, dass ich Ihrem Mottos «Frau im Sport» folgend, damals auf einem Segelturn war. Wir waren eine gemischte Gruppe. Am 14. Juni wollte das Boot geputzt sein vor der Rückgabe – wir Frauen konnten da nicht einfach streiken!
Es scheint mir heute wichtig, wie eh und je, oder sogar noch wichtiger, sowohl den 8. März als auch den 14. Juni zu begehen. Denn zurzeit erleben wir einen Backlash gegen Frauen(rechte).
Weltweit erstarken autoritäre Regimes – auch im Westen. Sie verfolgen ein gemeinsames Ziel: Unsere Rechte anzugreifen, ganz speziell die Frauenrechte und die Demokratie.
Wenn Sie das Programm des amerikanischen Präsidenten betrachten, dann lässt sich das etwa so zusammenfassen: Er will die Zeit zurückdrehen und will den Männern des zweiten Wirtschaftssektors ihre Arbeitsplätze zurückgeben. Ob es wirklich möglich ist, die Deindustrialisierung rückgängig zu machen, ist dabei egal. Er agiert ohne Rücksicht auf Verluste, unter Inkaufnahme einer Schwächung der gesamten US-Wirtschaft und der Abwertung des Dollars.Das alles geht zulasten der Frauen und der von ihnen in den letzten Jahren erkämpften Errungenschaften. Dazu kommt: Der Dienstleistungssektor bieten den zunehmend gut ausgebildeten Frauen bessere Möglichkeiten als die Industrie.

Und was sind neben den wirtschaftlichen die gesellschaftlichen Folgen? Primitive Witze gegen Frauen sind wieder okay. Gewalt gegen Frauen nimmt wieder zu.
Gezielte Förderung oder zumindest Chancengleichheit ist neu verpönt. Firmen haben feige ihre Diversity Programme gestrichen; oder führen sie weiter, aber nicht mehr ersichtlich nach aussen, was auch negative Auswirkungen hat.
Dazu kommen Angriffe auf die freie Forschung: Trump-Adlaten haben Forschungsanträge auf das Wort «divers» gescannt und wo es auftaucht, werden die Mittel gestrichen. Das hat teilweise die gleich unsinnigen Folgen, wie in dem Fall, wo Trump einer Insel, auf der nur Pinguine wohnen, höhere Zölle angekündigt hat... aber es hat auch zur Folge, dass wichtige Forschungsbeiträge im Bereich Diversity nicht mehr unterstützt werden.
Schon viel länger als der 14. Juni ist der 8. März ein besonderer Tag für uns Frauen. Vor einem Jahr habe ich als Ständeratspräsidentin die Tradition wieder belebt, am internationalen Frauentag unterschiedlichste Frauen aus allen Region ins Bundeshaus einzuladen. Es war unglaublich, inspirierend und vielfältig. Einige von Ihnen war dabei und können das sicher bestätigen.
In diesem Jahr hat Nationalratspräsidentin Maja Riniker erneut ins Bundeshaus eingeladen. Sie und ich haben zusammen einen Verein gegründet, um diese Tradition auch in den kommenden Jahren fortzuführen.
Es war wiederum beeindruckend und motivierend: Klar kam heraus, welchen Beitrag zu «Sicherheit» Frauen heute schon leisten und in Zukunft noch verstärkt leisten, einem vermeintlich den Männer gehörenden Thema
Thematisch im Zentrum der 8. März-Veranstaltung, die ich initiiert habe, war die «Finanzielle Unabhängigkeit von Frauen». Das ist ja auch eines der Hauptanliegen Ihres Verbandes.
Die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen ist nicht selbstverständlich. Sie sind stärker von Altersarmut betroffen, können sich aus Abhängigkeiten in Beziehungen nicht befreien, da sie finanziell abhängig sind. Oder Arbeiten lohnt sich ganz einfach nicht, wenn sie verheiratet sind.
Damit bin ich beim Thema Individualbesteuerung angelangt! Danke, dass Sie bei der Sammlung für die entsprechende Initiative mitgeholfen haben. Ihre Unterstützung braucht es nun auch bei der bevorstehenden Volksabstimmung. Aber zuerst muss es überhaupt soweit kommen.
Sie haben es verfolgt, es ist ein Krimi im Parlament. Nachdem wir uns zwischen den Räten auf einen Kompromiss geeinigt haben, der sich am Bundesratsvorschlag für einen indirekten Gegenvorschlag orientiert, gilt es nun, die die Schlussabstimmung in beiden Räten zu überstehen. Bei uns im Ständerat ist das Stimmenverhältnis 22 zu 22 bei Stichentscheid des Präsidenten. Es darf also niemand fehlen auf unserer Seite!
Es muss einfach klappen. Seit Jahrzehnten diskutieren wir über die Abschaffung der Heiratsstrafe. Das Bundesgericht hat dies schon in den Achtzigerjahren in unser Pflichtenheft geschrieben. Die Kantone haben die Heiratsstrafe weitgehend abgeschafft, mit unterschiedlichen Modellen. Aber auf Bundesebene tun wir uns schwer.
Wie Sie kämpfe ich seit Jahren für die Individualbesteuerung und gegen das Modell von Mitte und SVP mit Splitting. Es ist nicht nur viel zu teuer, es bevorzugt auch weiterhin die Einverdienerfamilie – je nach Splittingmodell sogar noch mehr als heute.
Warum? Heute haben Ehepaare den Verheiratetentarif. Arbeiten beide, werden sie aufgrund der starken Progression bei der Bundessteuer bestraft. Mit einem Vollssplitting (Faktor 2) werden diese beiden Ehepartner einem Konkubinatspaar gleichgestellt. Aber ein Einverdienerpaar wird gegenüber der Konkubinatssituation bevorzugt. Denn das Einkommen der einen Person wird ebenfalls durch zwei geteilt und zu diesem tieferen Satz besteuert. So entsteht nicht nur eine Ungleichbehandlung, es besteht auch kein Anreiz für die nicht erwerbstätige Person, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
Im Gegensatz zur Individualbesteuerung. Deshalb bin ich klar der Meinung, dass sie für uns Frauen das Richtige ist. Das Bundesgericht teilt im übrigen diese Ansicht bezogen auf den nachehelichen Unterhalt nach Scheidungen. Es hat in Leiturteilen im Jahr 2020 festgestellt, dass die Ehe keine Lebensversicherung mehr ist und hat diese Zahlungen stark reduziert oder gestrichen. Frauen müssten nach einer Scheidung selber für ihren Unterhalt aufkommen, auch wenn sie über Jahrzehnte nicht mehr erwerbstätig waren. Aber erst müssten sie dafür befähigt werden! Durch ein Steuersystem, das Arbeit belohnt und durch ausreichend Kinderbetreuungsplätze.
Schaffen wir also die Hürde Schlussabstimmung, geht es weiter. Eine Volksabstimmung über die Individualbesteuerung ist sicher wohl frühestens im März nächsten Jahres. Dort zähle ich auf Sie als berufstätige und eigenständige Frauen. Ganz nach dem Motto: «Frau handelt»!
Ich bin nun auch schon über 60 Jahre alt, konnte studieren, war immer berufstätig – auch mit Kindern – und bin seit 25 Jahren in politischen Ämtern. Bei allen unterschiedlichen Ansichten, die wir Frauen logischerweise haben, stelle ich je länger ich lebe desto mehr fest: Wir haben viele Gemeinsamkeiten.
Vieles verbindet uns: Erfreuliches und Unbeschwertes, aber auch Benachteiligungen, die wir weiterhin erfahren – weil wir Frauen sind. Natürlich haben wir auch hierzu nicht immer die gleichen Auffassungen. Und natürlich ist Geschlecht auch nicht der einzige Auslöser von Diskriminierung.
Aber ich möchte in der heutigen Zeit, in der wieder eine Art von Machismo salonfähig wird, über den ich zuerst nur schallend gelacht habe, ganz klar sagen: Es ist nicht selbstverständlich, dass wir heute sind, wo wir sind und das lassen wir uns auch nicht mehr nehmen. Es hat dazu das Engagement vieler vieler Frauen – und fortschrittlicher Männer – gebraucht für gleiche Rechte und Gleichstellung. Wir müssen jetzt sehr wachsam sein und dieses Engagement für Gleichstellung weiterführen.
Es ist ja einiges los in Basel dieser Tage und Wochen. Zuerst der ESC, dann hat der FCB das Double geschafft, bald schon startet die Women’s Euro mit Eröffnungsspiel und Final in Basel. Und heute findet Ihre Delegiertenversammlung bei uns statt, was uns sehr freut.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Versammlung, gute Gespräche und einen wunderschönen Galaabend. Mich zieht es weiter. Nicht an einen Frauenfussballmatch in diesem Trikot mit dem Frauen Fussballverein Basel, was ich ursprünglich plante. Sondern ins Stallkino der Bäuerin in unserer Familie. Sie ist eine sehr engagierte, tolle jungen Frau, die erst Latein und alte Geschichte studiert und dann doch den elterlichen Hof übernommen hat.