Buchvernissage

Band 5-7 der Reihe Stadt.Geschichte.Basel

Sudhaus Basel, Burgweg 7, Basel
Montag, 28. Oktober 2024, 18.30 Uhr


Grusswort von Ständeratspräsidentin Eva Herzog

Lieber Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte
Liebe Projekt- und Verlagsleiter
Liebe Autorinnen und Autoren, Herausgeberinnen und Herausgeber
Liebe Geschichtsbegeisterte
Liebe Freundinnen und Freunde
Meine sehr geehrten Damen und Herren


Die drei Bände der Stadt.Geschichte.Basel, die heute vorgestellt werden, befassen sich mit der «dynamischen Entwicklung der Stadt Basel». Es geht etwa um

• den Abbruch der Stadtmauer im Jahr 1859
• die Spannungen, mit denen sich Basel im Zeichen der Industrialisierung und des rasant beschleunigten Bevölkerungswachstums konfrontiert sieht
• oder wie die Grenzlage die Geschicke der Stadt prägt.

So der Werbetext für die drei Bände.

Geschichte wiederholt sich nicht, ich weiss. Aber diese Aussagen wecken bei mir viele Assoziationen zu den Themen, die mich heute umtreiben – angefangen beim Thema Stadt:

Da unsere Wirtschaft brummt, hat unser Land auch heute eine hohe Zuwanderung. Deshalb ächzen die Städte unter Wohnungsknappheit, die Mieten steigen, der Platz ist knapp – auch weil der Flächenverbrauch pro Person dank des Wohlstands hoch ist. 1859 fielen Die Stadtmauern, heute wachsen die Städte in die Höhe und sollen immer mehr verdichten, was auch Widerstand hervorruft. Am stärksten wachsen die Agglomeration. Züge, Busse und Trams in und zu den Städten für Arbeit und Freizeit sind voll.

Die Zuwanderung wird in der Politik zunehmend negativ bewirtschaftet, obwohl wir darauf angewiesen sind. Der Begriff «Dichtestress» macht die Runde.

Gefragt sind neue Rezepte in der Siedlungsentwicklung. Stichwort dazu ist die «10-Minuten-Stadt»: Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Konsum in Gehdistanz. So kann das Bevölkerungswachstum auf gut lebbare Weise aufgenommen werden.

Geschätzte Anwesende,

Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung lebt in urbanen Regionen, in Städten und Agglomerationen. Trotzdem erweckt die Schweizer Politik den Anschein, als ob wir ein Land von Bauern wären. Um der urbanen Bevölkerung eine Stimme zu geben, haben wir in Bern im Juni die parlamentarische Gruppe Städte gegründet.

Nahrungsmittelproduktion, Pflege der Landschaft schon aus ökologischen Gründen, Respekt vor der Natur, unserer Lebensgrundlage? Ja, selbstverständlich. Aber deshalb negieren, woher der Wohlstand der Schweiz kommt, unsere Innovationen, wo sich Probleme oft zuerst zeigen und was das Lebensumfeld der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung ist? Nein, auf keinen Fall.

Die Frage ist nicht, ob sich die Dinge verändern, sondern ob wir aktiv gestaltend auf die Entwicklungen einwirken? Oder ob wir krampfhaft am Alten festhalten und dann von den Ereignissen überrollt werden.

Basel ist eine Stadt, die agiert. Basel-Stadt ist ein Kanton, der gestaltet.

Liebe Anwesende,

Der deutsche Politiker August Bebel sagte: «Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.» Dazu dient uns die Geschichtsschreibung der Stadt Basel oder des Kantons Basel-Stadt.

Ungeachtet vorhandener Forschung braucht es immer wieder eine Aufarbeitung sowie Einordnung von Bekanntem und die Erforschung von neuen Fakten, einen neuen, kritischen Blick.

Ich hatte ja das Glück, in den Achzigerjahren an der Baselbieter Kantonsgeschichte mitzuarbeiten. Damals gelang es Basel-Stadt nicht, die erforderlichen Millionen zusammenzubringen für eine geschichtliche Aufarbeitung.

Dem damals finanziell bessergestellte Kanton Basel-Landschaft ging es bei diesem gross angelegten Forschungsprojekt nicht zuletzt um die Identitätsbildung als noch immer junger Kanton, nachdem die letzten Wiedervereinigungsversuche gescheitert waren. Nun war klar, dass die beiden Kantone ihren Weg getrennt gehen würden. Baselland errichtete erst ab den Sechzigerjahren eigene Institutionen wie Gymnasien oder Spitäler – um damit zunehmend unabhängig von Basel-Stadt zu werden. Jetzt brauchte es auch eine eigene Geschichte.

Im Jahr 2011 griff der Verein Basler Geschichte zusammen mit dem Historischen Seminar der Universität Basel die Idee wieder auf, eine neue, zeitgemässe Geschichte Basels zu erarbeiten. Und 2016 war es dann so weit: Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt sprach zwei Drittel der budgetierten Mittel. Der finanzielle Boden war gelegt und heute sind schon sieben Bände erschienen. Dazu gratuliere ich allen Beteiligten ganz herzlich!

Liebe Baslerinnen und Basler, aus Basel und Region!

Neben dem Städtischen prägte damals wie heute die Grenzlage unser aller Denken und Politisieren. Die drei heute präsentierten Bände zeichnen ein eindrückliches Bild der besonderen geografischen Lage unserer Stadt und unseres Kantons: Bis zu den Weltkriegen waren die Landesgrenzen wenig spürbar. Basler Bauernfamilien bewirtschafteten Land im Elsass. Französische und deutsche Bauern verkauften in Basel ihre Produkte, die wachsende Industrie rekrutierte ihre Arbeiterinnen und Arbeiter aus der ganzen Region und natürlich darüber hinaus. Das Tram überquerte die Grenzen ganz selbstverständlich.

Nicht die nationalen Grenzen waren relevant, sondern die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft. Diese fliessenden Grenzen haben wir uns in den letzten Jahrzehnten im Dreiland zurückerkämpft. Ganz wichtig dabei: die bilateralen Verträge mit der Europäischen Union ab 2002.

Mit ihnen ging es nach den schwierigen Neunzigerjahren – mit Abwanderung aus der Stadt – wirtschaftlich wieder aufwärts. Die Steuereinnahmen legten kontinuierlich zu und – mit auch kluger Politik... – gelang es, die Wohnsituation in der Stadt so zu verbessern, dass wieder Menschen zuzogen. Familien blieben in der Stadt und die Bevölkerung verjüngte sich. Prosperität setzt ein.

Darum stehen in unserem Kanton Parteien von links bis rechts Europa und der Europäischen Union positiv gegenüber. Wir sehen darin nicht etwas Bedrohliches, die fremden Richter, Zwang und Unterwerfung – sondern funktionierende Nachbarschaft, von der alle profitieren. Wir sehen, wie nötig eine Aktualisierung und Weiterentwicklung der heutigen bilateralen Verträge ist. Unser Wirtschaftsraum hört nicht an den Grenzen zu Deutschland und Frankreich auf. Unsere Firmen brauchen die EU als Absatzmarkt. Firmen, Spitäler, Altersheime, Detailhandel, Hotels und Gastronomie funktionieren nicht ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland.

Diese Haltung vertrete ich mit Nachdruck auch in Bern – verbunden mit der Hoffnung, dass sie dann mehrheitsfähig ist, wenn wir uns über das Verhandlungsresultat von Bundesrat und EU-Kommission beugen, das bis Ende Jahr erwartet wird.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Städtische Perspektiven, unsere Beziehung zu Europa und die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter – das sind die drei Schwerpunkte meines zu Ende gehenden Präsidialjahrs als Ständeratspräsidentin. Am 8. März sind rund 350 Frauen meiner Einladung ins Bundeshaus zum «Tag der Frau» gefolgt. Die Teilnehmerinnen waren begeistert und darin bestärkt, dass noch einiges zu tun bleibt bis zur tatsächlichen Gleichstellung.

Die drei Bände, die wir heute feiern, schliessen mit dem Jahr 1966. Damals wurde in Basel das kantonale Frauenstimmrecht angenommen. Das ist eine sehr stimmige Epochengrenze.

Und damit komme auch ich zum Schluss: Aus den Städten kommen die Innovationen, eine Grenzlage schafft Verständnis für die Nachbarn, und dass Frauen mitentscheiden müssen, hat man bei uns früher gemerkt als anderswo in der Schweiz.

Basel-Stadt hat viel beizutragen zur Zukunft unseres Landes. Und mein Eindruck ist, dass wir stärker gewillt sind, uns Gehör zu verschaffen als auch schon. Vornehme Zurückhaltung und sympathische Bescheidenheit führen nicht immer zum Ziel.

In diesem Sinne wünsche ich dem Projekt einen gelingenden Abschluss und der ganzen Geschichte eine gute Aufnahme und viele Leserinnen und Leser!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

EH/28.10.2024