Arealeröffnung Westfeld Basel – ein lebendiges Stück Stadt

23.9.2023h, 11h

 

Liebe Frau Regierungsrätin Keller, liebe Esther

Lieber Richi Schlägel

Lieber Claudio

Liebe Claudia

Liebe Bewohnerinnen und Bewohner des Westfeldes und des Quartiers

Liebe Fans des Westfeld

 

Einige von euch habe ich vor einer Woche gesehen, beim Jubiläum der Wohnstadt, einige auch gestern, auf dem Forum der Wohngenossenschaften im KKL in Luzern.

Unsere Branche ist voll im Trend, auch Bundesrat Parmelin ruft inzwischen zur Förderung des gemeinnützigen Wohnbaus auf, als eine wichtige Massnahme gegen die aktuelle Wohnungsnot.

 

Nach vielen Jahren der Null- und Negativteuerung ist die Inflation zurück. Preise für Lebensmittel steigen, erstmals auch wieder der Referenzzinssatz und damit die Mietzinsen, die Krankenkassenprämien könnten 2024 eine Rekordsteigerung von bis 10% erfahren. Viele Menschen überlegen verzweifelt, wie sie dies bezahlen sollen, werden die Löhne doch nicht im selben Ausmass steigen.

 

Mit aller Wucht zeigt sich, was wir Vertreterinnen und Vertreter des gemeinnützigen Wohnungsbaus schon immer gesagt haben und wofür wir uns einsetzen: Der Wohnungsmarkt ist ein Markt, der reguliert werden muss, da er ein lebensnotwendiges Gut bereitstellt: Alle Menschen müssen eine Wohnung zu tragbaren Preisen haben. Nicht nur das mangelnde Angebot hat die Preise von Boden und Immobilien in den letzten Jahren steigen lassen, sondern auch die Tatsache, dass Immobilien in den vergangenen Jahren zu immer wichtigeren Anlageobjekten wurden.

 

Die steigenden Zinsen bringen hier eine gewisse Entlastung, da andere Anlageobjekte wieder attraktiver werden – gleichzeitig führt die Inflation zu allgemein steigenden Preisen, die Situation bleibt schwierig.

 

Und die Nachfrage nach Wohnraum bleibt hoch, durch die Zuwanderung aufgrund des Fachkräftemangels und des stark gestiegenen Flächenverbrauchs.

 

Mehr bauen ist also sicher eine Massnahme. Entscheidend ist aber auch, wer baut und zu welchen Bedingungen. Die NZZ musste letzthin in einem Artikel über die Stadt Wien nolens volens schreiben, dass der gemeinnützige Wohnungsbau preisdämpfende Wirkung hat - wenn er genügend Gewicht hat! In Wien leben 60 Prozent der Menschen in Wohnungen der Stadt oder von gemeinnützigen Stiftungen. Sie bezahlen Kostenmiete statt Marktmiete und, wie die NZZ ebenfalls zähneknirschend schrieb, gilt Wien – trotzdem – als lebenswerteste Metropole Europas! Nun, diesen Anteil werden wir nie erreichen, aber das positive Image mag uns alle ermuntern!

 

Viel kann auf kommunaler Ebene geschehen. Städte und Gemeinden sind aufgefordert, noch mehr mit Genossenschaften und Stiftungen zusammenzuarbeiten, Bauland zur Verfügung zu stellen, aber auch bestehende Immobilien an gemeinnützige Wohnbauträger im Baurecht abzugeben. Dies verbunden mit klaren Vorgaben: Kostenmiete, Belegungsvorschriften und maximale Quadratmeter pro Wohnung.

In der laufenden Session der eidgenössischen Räte in Bern sind Wohnungsnot und Gegenmassnahmen einer der Schwerpunkte. Als nicht hilfreich erachte ich dabei Vorstösse, die den Mieterschutz scheibchenweise aufweichen wollen.

 

Erfreulich dagegen war die Überweisung einer Motion diese Woche, welche mehr Verdichtung verlangt in Verbindung mit gemeinnützigem Wohnungsbau. Sie fordert eine Beschleunigung dessen, was auch der Runde Tisch unter der Leitung von Bundesrat Parmelin grundsätzlich fordert, ohne aber bisher den Willen zu zeigen, dies auch zeitnah in die Tat umzusetzen. Auch dies ist ja einer eher langfristig wirkende Massnahme. Aber man könnte auch sofort etwas tun. Gestern am Forum in Luzern kam Claudio Paulin von der Baugenossenschaft wohnen&mehr mit dem Vorschlag, den Maximalbeitrag pro Wohnung, den man bei den Fonds de Roulement-Darlehen erhält, aufzustocken, der Teuerung anzupassen, und zwar sofort – keine komplizierte Verordnungsänderung zu machen. Wir haben es dem Leiter des Bundesamtes für Wohnungswesen gleich mitgegeben, wir bleiben dran!

 

Nächste Woche werden in beiden Räten weitere Vorstösse behandelt, ebenfalls kurzfristig wirksam sind verpflichtende regional differenzierte punktuelle und periodische Mietpreiskontrollen, ausserdem sollen weitere Instrumente zugunsten preisgünstiger Wohnungen eingeführt werden, wie zinslose und zinsgünstige Darlehen und Bürgschaften unter Einhaltung der Kostenmiete, die auch kontrolliert wird.

 

Wir werden nie einen Anteil von 60% an staatlichen Wohnungen bzw. Wohnungen von Stiftungen und Genossenschaften erreichen. Aber wir müssen weiter wachsen und in Basel passiert das auch - hier leistet das Westfeld einen wichtigen Beitrag. Es war ein Höhepunkt zu meiner Regierungszeit, als wir dieses grosse Areal exklusiv an Genossenschaften abgaben.

 

Es musste eine neue Genossenschaft gegründet werden, um das Projekt zu stemmen und es war ein Kraftakt. Es brauchte gegenseitiges Vertrauen auf beiden Seiten, Mut zum Risiko für die frisch gebackene Genossenschaft, die Zuversicht es auch finanziell zu schaffen, ohne Kompromisse einzugehen betreffend Oekologie oder gemeinschaftlichem Zusammenleben. Und es ist geglückt! Die Zusammenarbeit war immer eine Freude, der Einsatz gross und er hat sich gelohnt. Hier ist ein lebendiges Stück Stadt entstanden, kein steriles Wohnen, sondern alles, was ein Quartier braucht: Läden, Kitas, Café, Gym, Co-Working, Gemeinschaftsräume - gegen die Vereinsamung in unserer immer stärker individualiserten Zeit; mit Beschränkung der Wohnfläche und Belegungsvorschriften, nachhaltigem Bauen – vorbildlich nachhaltig und wegweisend für die Schweiz: Das Westfeld ist eines von 20 Modell-Projekten des Bundes für nachhaltiges Bauen und es erfüllt wirklich alles, was wir gestern an der nationalen Tagung in Luzern diskutiert haben!

 

Ich wünsche allen Bewohnerinnen und Bewohnern ein gutes Zusammenleben und bedanke mich allen, die das ermöglicht haben für ihr unermüdliches Wirken!

 

Eva Herzog, 23.September 2023