30 Jahre Werkraum Warteck pp

Jubiläumsfest 15. – 17. September 2023

 

Eröffnung, Freitag, 15. September 2023, 18h

Eröffnungsrede von Ständerätin Eva Herzog

 

Lieber Herr Vereinspräsident, lieber Philipp

Liebe Warteck-Familie

 

Ich habe mich sehr gefreut, als mich Silvia Buol anfangs Juli bat, heute Abend an der Eröffnung eures Jubiläumfestes zu reden. So wie ich mich vor etwas über 20 Jahren sehr geehrt gefühlt habe, als ich angefragt wurde, zuerst in der Findungskommission für den Vorstand der zu gründenden Stiftung Kulturraum Warteck mitzumachen und schliesslich, auch das Präsidium der Stiftung zu übernehmen.

Selber war ich nie im Werkraum Warteck tätig, aber Besucherin aller Tatorte, die dem Warteck vorausgingen: Union, Stadtgärtnerei, Schlotterbeck, Stücki und natürlich im Warteck. Ich habe von 1994 – 1999 in der damaligen Kulturwerkstatt Kaserne gearbeitet, war Mitglied der Betriebsgruppe, habe Podien organisiert (die Reihe Denkbar), Lesungen, Projekte – und war auch aktiv bei den Kulturgesprächen, die auch im Zusammenhang mit der Werkraumbewegung standen, jedenfalls kannte ich Jakob Tschopp aus diesem Zusammenhang.

 

Er war ja eine Schlüsselfigur in der Werkraumbewegung, ein Vermittler zwischen Welten, ein Symbol dafür, wie man in Basel zwischen verschiedenen Kreisen hin- und herwandern und zusammenarbeiten kann. Wenn man offen ist. Offen für neue Bewegungen, offen für permanente Provisorien!

 

Als Silvia mich im Frühsommer anfragte, musste ich sie fragen, wann war ich Präsidentin, wie lange? Hast du Unterlagen? Und dann wollte es das Schicksal, dass ich meinen Ordner aus dieser Zeit gefunden habe, zufällig, weil ich im Juli den Rappel hatte und meine Familie nötigte, das Puff in unserem Chämmerli zu räumen. Was für ein Fund!

 

Mittwoch letzter Woche, vor der Vernissage der Geburtstagspublikation, habe ich in diesem Ordner gestöbert, bin versunken in der Welt von vor 20 Jahren, an der Vernissage habe ich dann René Brigger gelöchert – er sollte an meiner Stelle hier stehen: er ist seit über 30 Jahren permanent für das Provisorium tätig, als Anwalt mit seiner juristischen Expertise, hat er die Gründung der Stiftung begleitet, welche dann die Schenkung des Gebäudes entgegennehmen durfte – deren erste Präsidentin ich war, und er ist bei heute dabei! Oder – viele andere sollten an meiner Stelle hier stehen – aber ich möchte nur noch jemanden nennen: Peter Bläuer, den Erfinder der Liste, der Ausstellung für junge Kunst während der Art Basel, den ich seit damals kenne und schätze. Er war damals Präsident des Vereins, hatte eine Vermittlerrolle zwischen Mieter:innen und vermietender Stiftung, immer respektvoll, ruhig und stilvoll.

 

Ich kam nach der Vernissage nach Hause, habe in diesem schönen kleinen Buch gestöbert, in den Überschriften und poetischen Aussagen, in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit, die aber eben stimmig ist und passend für das Gesamtprojekt Werkraum Warteck pp mit seinen so verschiedenen Menschen, die aber alle etwas eint:

Sie wollen nicht für sich alleine arbeiten und kreativ sein – sondern im Kollektiv mit anderen, selbstbestimmt, aber selbstbestimmt als Gruppe. Mit allen Schwierigkeiten, mit allen Spannungen zwischen den individuellen Bedürfnissen und dem Interesse des Ganzen, mit allen unvermeidbaren Misstönen, gefühlten und tatsächlichen Ungerechtigkeiten – einfach mit dem ganz normalen Alltag aller Menschen, denen sie sich aber in schwierigerem Umfeld aussetzen, ohne immer ganz klare Strukturen – also, schwierig sage ICH, selbstgewählt und selbstbestimmt und frei? sagen SIE.

Mir hat es nur so gesurrt im Kopf, so viele Ideen, was ich sagen könnte, wie ich dazu kam, Teil dieses Projekts zu sein, als Nahestehende, aber doch nicht Insiderin, ich kam aus der Kaserne, war damals Grossrätin, sollte die Verbindung zur Politik herstellen. Das war 2002, 2003 erfolgte dann die Schenkung des Hauses an die Stiftung Kulturraum Warteck. Wir lösten die früher bestehende Siftung Warteckhof ab (gegründet 1993), die das Gebäude noch zur Miete gehabt hatte von der Warteck Invest.

 

Unsere Aufgabe als Hauseigentümerin war die Instandhaltung der Bausubstanz und die Verantwortung für allfällige Ausbauten, wie es in einer ebenfalls sehr schön gestalteten hauseigenen Broschüre aus dieser Zeit heisst.

 

2005 musste ich mein Amt abgeben, da ich in die Basler Regierung gewählt worden war, Pascale Meyer hat als meine Nachfolgerin die Geschicke der Stiftung grossartig weitergeführt und nach ihr ebenso Franziska Baetke, die aktuelle Präsidentin.

 

In den Protokollen lese ich über die nicht einfachen Verhandlungen mit der Steuerverwaltung um die Steuerbefreiung einer Institution, die klar nicht gewinnorientiert ist, die sich aber auch verpflichtet hat, keine Subventionen zu beantragen, weshalb Geld erwirtschaftet werden muss, um den Unterhalt des Hauses bezahlen zu können. Die Namen der Angestellten der Steuerverwaltung erkannte ich als meine späteren Mitarbeiter im Finanzdepartement!

 

Das Haus war vor der Schenkung grundsaniert worden, aber nicht mehr – Ausbau und Unterhalt eines solchen Hauses sind eine Herausforderung. Permanentes Provisorium und die Verantwortung für eine millionenschwere Liegenschaft, auch wenn sie mit Null Franken in der Bilanz steht…

 

Schon der Versicherungswert ist ein anderer, Selbstverwaltung und Kapitalismus treffen plötzlich sehr real aufeinander. Schenkung klingt ja gut – aber die Warteck Invest ist kein philantropischer Verein: sie handelte mit der Regierung aus, dass sie die alte Brauerei der Stiftung schenken würde und im Gegenzug, bei der umliegenden Wohnüberbauung dichter bauen konnte. Es hat sich also auch für sie durchaus gerechnet.

 

Mit der Schenkung, durch den Verlust eines kapitalkräftigen Finanzierers wie der Warteck Invest erhöhten sich die Mieten sukzsessive, das musste diskutiert und allseits akzeptiert werden, aber es führte kein Weg daran vorbei. Es waren spannende zwei Jahre, was einmal das Bauliche betraf, wir führten die ersten Diskussionen zum Ausbau der Malzsilos, und natürlich auch die basisdemokratischen Diskussion mit Mieterinnen und Mietern! Ich habe viel gelernt, was ich nachher im Finanzdepartement brauchen konnte, war ja das Immobilienportfolio des Kantons in meinem Departement. Und als Präsidentin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz kann ich mich bis heute mit spannenden Bauprojekten beschäftigen, mit nachhaltigem Bauen, mit innovativen Formen des Zusammenlebens, mit Nachbarschaft und mit dem Kampf gegen Vereinzelung in unserer immer stärker individualisierten Welt.

Heute ist das permanente Provisorium, insbesondere der Wunsch des Miteinanders, noch aktueller und auf jeden Fall dringender geworden als in den 80er und 90er Jahren, wo es primär auch ein Ausbrechen aus festgezurrten rigiden und hierarchischen Strukturen war. Diese rigiden Strukturen gibt es nicht mehr, eine Vielzahl von Lebensentwürfen ist nebeneinander möglich, wie wir uns das in den 70er und 80er Jahren nicht hätten vorstellen können – aber, manchmal denke ich, was als Toleranz begann, wird jetzt wieder ideologisch, das ist gefährlich, und dagegen hilft nur permanentes Diskutieren, einander zuhören und verstehen wollen, wie es im WWpp bis heute der Fall ist.

 

In diesem Sinne: Happy Birthday Werkraum Warteck pp, und auf die nächsten 30 Jahre!

 

Eva Herzog, 15.9.2023