Rede Kantonaler Baselstädtischer Schwingertag 2023

18. Mai 2023

 

Lieber René (Thoma)

Liebe Ehrengäste

Liebes OK

Liebe Besucherinnen und Besucher

Liebe Schwingfamilie

 

Schwingen in der Stadt? Schon der Hülftenschanz in Pratteln fehlten die Berge, aber das war kaum der Grund für das resultierende Defizit, das war eher das übliche knappe Kalkulieren in BL mit dem Prinzip Hoffnung, dass es dann schon reicht...

Ich darf das sagen, ich bin aus Pratteln. Und das war auch nicht mein erstes Eidgenössisches Schwingfest, ich war schon in den 90er Jahren an einem Eidgenössischen, als ich fürs Turnen recherchierte, einem Beitrag für die Kantonsgeschichte Baselland.

 

Schwingen sei eine Schweizer Nationalsportart, sagt Wikipedia – stimmt das für die ganze Schweiz? Oder nur für die ländliche Schweiz? Das erste Eidgenössische Schwing- und Älplerfest fand 1895 in Biel statt, als auch nicht grad Berner Oberland. Oberhalb des Schwingplatzes ragen bei uns die Roche-Türme in den Himmel – das sind die Art Berge, die wir hier in der Stadt bieten können.

 

Stadt und Land – was ist städtisch, was ist ländlich? Gibt es einen Stadt-Land-Graben in der Schweiz? Hätte ich René auch zugesagt, wenn er mich NACH dem 7. Dezember 2022 gefragt hätte, nach meiner Niederlage gegen die Falanx der Schwarznasenschafe?

 

Ja, hätte ich. Erstens wegen René, weil ich seinen Einsatz für den genossenschaftlichen Wohnungsbau ungemein schätze und es toll finde, wie er nun hier in die Hosen gestiegen ist für die Organisation dieses Festes, zusammen mit sechs Basler Sportvereinen.

 

Zweitens aus Wertschätzung für eben diese Turn- und Sportvereine, welche mit ihren Milizstrukturen den Zusatzaufwand nicht gescheut haben, um diesen Sportanlass auszurichten, der so urchig wirkt und heute sehr im Trend ist - vor kurzem wurde in Magglingen eine riesige neuen Schwinghalle fertig gestellt.

 

Ja und drittens, weil mir nicht an einem Stadt-Land-Graben liegt, auch wenn ich mich künftig verstärkt für die Anliegen, Bedürfnisse und einfach schon die Sichtweisen der Schweizer Städte einsetzen werde. Städte sind auf der ganzen Welt und auch bei uns Wirtschaftsmotoren und Innovationstreiber – wer so wichtig ist für den Wohlstand der Schweiz, soll seine Leistungen nicht verstecken müssen – vor allem soll er sich nicht bemüssigt fühlen, seinen Leistungen ein idyllisches Landleben-Mäntelchen umzulegen, wie es die Wirtschaftsverbände im letzten Jahr beschlossen haben.

 

Aber die «Geld und Gülle Allianz», wie der neue Verbund genannt wird, muss offenbar nicht primär inhaltlich überzeugen: Die Wirtschaftsverbände haben beim Volk an Schlagkraft und Beliebtheit verloren, wie ihre Abstimmungsniederlagen zeigen – sie suchen deshalb die Nähe des besten Lobbyisten im Bundeshaus und der schönen Bilder einer Schweiz, von der viele träumen und die Schweiz Tourismus nach wie vor vermarktet – Dies obwohl 75% der Schweizer Bevölkerung in städtischen Gebieten lebt, wo 84% der Wirtschaftsleistung unseres Landes erbracht werden – im Interesse und zugunsten der ganzen Schweiz.

 

Wo sind die Schnittstellen von Wirtschaftsverbänden und Bauernverband? Bei der Europafrage? Beim Bewusstsein darüber, wie sehr die mangelnde Teilnahme am grössten Forschungsprogramm der Welt, «Horizon Europe», unseren Universitäten und der forschenden Industrie schadet? Beim Einsatz von neuen Gentechnologien in der Landwirtschaft? Bei den Freihandelsabkommen?

 

Beide Seiten versprechen sich viel von diesem Bündnis: die angeschlagenen Wirtschaftsverbände hoffen auf die geballte Kampagnenkraft des Bauernverbandes, die ihren Anliegen an der Urne endlich wieder zum Erfolg verhelfen soll. Der Bauernverband erwartet dafür, dass die Agrarsubventionen nicht angetastet werden und schielt sicher auch auf die prall gefüllten Kampagnenkassen der Wirtschaftsverbände.

 

Auf Inhalte scheint es also nicht anzukommen – aber ist das zukunftsträchtig? Ich zolle dem Land, seiner Bevölkerung und seiner Leistung hohen Respekt, aber ohne Argumentationen von vorgestern und ich erwarte dasselbe für die städtische Realität.

 

Denn es ist wie überall: Miteinander reden und einander zuhören, das ist das Wichtigste. So haben wir letzthin einen Workshop zum Thema Stadt im Alpinen Museum Bern durchgeführt, das war sehr inspirierend!

 

Oder wenn ich an die jungen Leute meiner Verwandtschaft denke, die auf dem Land aufgewachsen sind, in der Stadt studiert haben, dort arbeiten, dann teilweise wieder zurück ziehen aufs Land. Und eine von ihnen hat nach einem Studium von Latein und alter Geschichte die Meisterprüfung als Landwirtin gemacht und den elterlichen Hof übernommen. Diese Offenheit, das Grenzen überschreiten, keine Scheuklappen, keine Vorurteile und kein Schwarzweiss Denken – das macht mir Mut für die Zukunft.

 

Zu diesem Dialog und gegenseitigen Verständnis gehört auch ein Schwing- und Älplerfest mitten in der Stadt mit Teilnehmenden aus allen Landesteilen - ich freue mich darüber und freue mich auf die sportlichen Wettkämpfe in einer Sportart, die ich als extrem fair und ritterlich empfinde, symbolisiert im Abputzen des Sägemähls vom Rücken des Verlierers durch den Sieger.

 

Nun freue ich mich auf die weiteren Gänge und wünsche den Athleten viel Glück!

 

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

EH/18.5.2023