Rückblick - Herbstsession 2022

Eine Energiesession ist zu Ende gegangen.

 

Für Journalistinnen und Journalisten und diejenigen Parlamentsmitglieder, die nicht Mitglied der UREK sind (Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie) war es nicht einfach den Überblick zu bewahren und mit dem Tempo der Beschlüsse mitzuhalten. Indirekte Gegenvorschläge zur Gletscher- und zur Biodiversitätsinitiative, Solaroffensive, Rettungsschirm für die Strombranche, Wasserkraftreserve, Winterreserve, dazu verschiedene Massnahmen zur Gas-Mangellage. Wir haben Entscheide gefällt zur Förderung alternativer Energien, wie wir es schon vor 20 Jahren hätte tun sollen und wie es vor einem Jahr noch nicht möglich gewesen wäre. Es brauchte, man muss es leider sagen, die drohende Energiemangellage aufgrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, damit wir endlich zu Taten schreiten.

 

Indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative

 

Beim indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative (21.501) hat dies schon stattgefunden. Das eigens geschaffene Gesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit steckt verbindliche Etappenziele auf dem Weg zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050. Die Vorlage ist ausgewogen und umsetzbar, kommt den Initianten weit genug entgegen, so dass sie die Initiative zurückziehen würden. Das werden sie nun wohl nicht tun, da die SVP das Referendum angekündet hat. Krasse Widersprüche in der Argumentation haben diese Partei noch nie gestört: einerseits machen sie Bundesrätin Sommaruga für die heute bestehenden Abhängigkeiten vom Ausland im Strom- und Gasverbrauch verantwortlich, gleichzeitig blockieren sie jeden Schritt, um davon wegzukommen.

Von diesem Gesetz abgespalten wurde die dringliche Solar-Offensive, die für grosse Neubauten eine Solarpflicht und erleichterte Bewilligungen und Investitionsbeiträge für Solar-Grossanlagen in den Bergen vorsieht. Die Bereinigung zwischen den beiden Kammern hat auch hier zu einer guten Lösung geführt. (Link)

Ausserdem haben wir zwei Tage lang eine erste Beratung über das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien geführt, den sogenannten Mantelerlass (21.047), der über ein Jahr in der vorberatenden Kommission lag. Nach der ersten Beratung im Ständerat ist das Gesetz noch nicht im Gleichgewicht, es gibt einige Widersprüche. Das Gesetz geht nun an den Nationalrat, die Bereinigung zwischen den Räten sollte diese Widersprüche beseitigen und eine klare Linie zwischen Förderung alternativer Energien und Naturschutz, Subventionen und Pflichten wie Verboten bringen. (Link)

 

Rettungsschirm

 

Bereinigt wurden auch die Beratungen über den Rettungsschirm (22.031) (Subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft). Der Ständerat hatte schon in der Sommersession entschieden, der Nationalrat wollte das Gesetz nicht dringlich behandeln – so dass der Bundesrat zu Notrecht greifen musste, als die Axpo Anfang September 2022 um die Unterstellung unter den Rettungsschirm nachsuchte. Konkret geht es um eine Kreditlinie von 4 Mrd. Das bedeutet, dass die Axpo jederzeit bis zu 4 Mrd. Liquidität beim Bund abrufen kann. Bisher hat sie noch keine Kredite in Anspruch nehmen müssen. Nachdem die FinDel (Finanzdelegation von SR und NR, der ich angehöre) die Kreditlinie dringlich bewilligt hatte, besteht nun seit dem 1. Oktober 2022 die von beiden Räten verabschiedeteGrundlage und auch der zugehörige Nachtragskredit von 4 Mrd. Franken sowie der Verpflichtungskredit von 10 Mrd. Franken wurde mit dem Nachtrag II zum Voranschlag 2022 (22.042) bewilligt.

Im gleichen Nachtrag wurden auch Transport und Einrichtung von Reservekraftwerken zur Linderung von Strommangellagen ab dem Winter 2022/2023 für einen Betrag von 160 Mio. Franken bewilligt .

Dass der Rettungsschirm besteht, die gesetzliche Grundlage da ist und kein Notrecht ergriffen werden muss, ist der vorausschauenden Arbeit des UVEK und seiner Vorsteherin Simonetta Sommaruga zu verdanken, die in dieser Session mit Bravour einen wahren Marathon absolvierte. Ihr Departement hat sich nach dem Hilferuf der Alpiq im Dezember 2021, der dann zwar zurückgezogen wurde, gleichwohl daran gemacht, ein entsprechendes Gesetz auszuarbeiten.

Das ist ausgezeichnet, hatte aber möglicherweise zur Folge, dass sich die Kantone, denen die Axpo zusammen mit ihren Elektrizitätswerken gehört (die höchsten Anteile haben Zürich und der Aargau) nicht wirklich darum bemühten, der Axpo selber Liquidität zur Verfügung zu stellen. Wirklich störend ist dann aber, dass im Gesetz vorgeschlagen wurde, dass Bund und Kantone sowohl Einnahmen durch die Risikozuschläge wie Verluste bei Ausfall der Kredite zu je 50 Prozent tragen sollten und der Kantonsanteil nach BIP auf die Kantone aufgeteilt würde. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass mit «die Kantone» auch Kantone gemeint sein könnten, die mit der Axpo nichts zu tun haben, aber so ist es gemeint. In einer konzertierten Aktion habe Sarah Wyss im Nationalrat und ich im Ständerat dafür geschaut, dass der Schlüssel immerhin auf 2/3 BIP und 1/3 nach Wohnbevölkerung geändert wurde.

Wir wollten die Verabschiedung des Gesetzes nicht gefährden und haben keine weiteren Anträge gestellt. Aber ich habe anschliessend eine Motion eingereicht, welche die volkswirtschaftlichen Risiken von systemkritischen Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft eingrenzen will (22.4132). Mitglieder aus allen Fraktionen haben unterschrieben.

 

Abbau der Coronaschulden

 

Wenig erfreulich war der Ausgang der Beratungen über die Änderung des Finanzhaushaltgesetzes betreffend Abbau der coronabedingten Verschuldung (22.020). Mit Argumenten, die sich zum Teil widersprachen hat uns BR Ueli Maurer ein Abschiedsgeschenk überlassen. Einerseits weicht der Bundesrat mit seinem Vorschlag die Regeln der Schuldenbremse auf, indem bis 2035 oder 2039 die Schulden lediglich mit künftigen Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (die vorerst mal ausfallen dürften...) abgebaut werden. Das erscheint zahm und locker – so hat es uns der Finanzminister verkauft. Gleichzeitig werden aber auf diese Weise auf Jahrzehnte hinaus alle zusätzlichen Einnahmen für den Schuldenabbau verwendet, der Handlungsspielraum im Budget quasi eingefroren – ein unglaublich kurzsichtiges Handeln angesichts der Ausgaben, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen. Dass es Sparprogramme geben wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

 

Ausserordentliche Session zur Stärkung der Kaufkraft

 

Wenig geblieben ist von den Vorstössen zur Stärkung der Kaufkraft. Mein Vorstoss zur  Einführung eines "Bundescheques" zum Schutz der Haushalte vor Kaufkraftverlust (22.3864) war absolut chancenlos.Auch die Vorstösse zu den Prämienverbilligungen fanden keine Gnade, lediglich der zusammen mit der Mitte eingereichte Vorstoss zur sofortigen Ausrichtung der Teuerung auf den Renten wurde in beiden Räten überwiesen.

 

Steuerreform der OECD

 

In der dritten Woche fand im Ständerat als Erstrat die Debatte zum Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft)(22.036) statt. Eine Vorlage, die für Basel-Stadt von eminenter Bedeutung ist. Die Vorlage an sich ist unbestritten, umstritten ist ausschliesslich die Verteilung der allfälligen Mehreinnahmen zwischen Bund und Kantonen. Im Ständerat hat sich der Kompromiss der Kantone, der auch dem Vorschlag des Bundesrates entspricht, durchgesetzt, welcher eine Verteilung von 75% der Mehreinnahmen bei den Kantonen und 25% beim Bund vorsieht (Link zum Votum). Das Geschäft muss in der Wintersession vom Nationalrat behandelt werden, wenn es nach der Volksabstimmung im Juni 2023 rechtzeitig am 1.1.2024 in Kraft treten soll.

 

Frauenallianz im Ständerat

 

Die Motion (EO-Entschädigungen. Militärdienst und Mutterschaft gleich entschädigen) (19.3373) forderte gleiche Bestimmungen beim Höchstbetrag der Gesamtentschädigung in Artikel 16a (für Dienstleistende, heute max. 245 Franken pro Tag) und in Art. 16f (für Mütter, heute max. 196 Franken pro Tag) in Form einer Anhebung auf 245 Franken. Die Motion wurde vom Nationalrat am 10. März 2021 mit 132 zu 52 Stimmen überwiesen. Sie scheiterte am 8. Juni 2022 mit 19 zu 19 und Stichentscheid des Präsidenten im Ständerat.

Da der heutige Zustand der Verfassung mit dem Gebot der Gleichstellung widerspricht, wie der Bundesrat in seiner Antwort zur Motion selber feststellte, habe ich sie nochmals eingegeben (EO-Entschädigungen: Gleiche maximale Tagessätze bei Militärdienst und Mutterschaft) (22.4019). Diese in leicht geänderter Form, mit Varianten, was die Kosten betrifft. Alle Ständerätinnen haben unterschrieben – am Tag nach der knappen Annahme der AHV-Vorlage. Diese Tatsache müssen wir jetzt nutzen für ein konsequentes Schliesen der Lücken in der Gleichstellung.

Unterschrieben haben auch 10 Ständerätinnen eine Interpellation von Heidi Z’graggen, welche die Sicherheit im öffentlichen Raum auch bei Strommangel sicherstellen soll (22.4123).