Rückblick - Wintersession 2023

Nach der Enttäuschung von vor einem Jahr war das die Session der Region Basel. Nach der Wahl von Eric Nussbaumer zum Nationalratspräsidenten und höchsten Schweizer und meiner Wahl zur Ständeratspräsidentin und höchsten Schweizerin am ersten Tag der Session krönten wir unseren Lauf am 13. Dezember mit der Wahl von Beat Jans in den Bundesrat. Nach 50 Jahren ungeduldigen Wartens ist Basel-Stadt endlich wieder im Bundesrat vertreten.

 

Droht nun die Verbaslerung der Schweiz? Wie Alain Berset schon am gemeinsamen Fest von Eric und mir fragte? Soviele Sozis, kann das gut gehen? (Die Rede als PDF) Alle drei stehen wir für eine weltoffene Schweiz, die weiss, wie wichtig die Beziehungen zu Europa für unsere Land sind. In unserer Region leben wir das Grenzüberschreitende jeden Tag. Damit finden wir uns auch im Einklang mit Bundespräsidentin Viola Amherd von der Mitte, welche den Abschluss eines Abkommens mit der EU als wichtigstes Ziel ihres Präsidialjahrs 2024 bezeichnet hat.

 

Wir drei Vertreter:innen aus der Region Basel stehen auch für die städtische Schweiz, wie ich in meiner Antrittsrede am 4. Dezember betont habe. (Meine Antrittsrede) Und damit für die Mehrheit der Bevölkerung in diesem Land, drei Viertel der Menschen leben in urbanen Regionen. Und auch die Landbevölkerung ist aufgeschlossener als uns der oberste Bauernlobbyist glauben machen will – das beweist meine ländliche Verwandtschaft nicht erst, seit sie mich am 4. Dezember zum tanzenden TikTok-Star im «Rote Chleid» gemacht hat.... (Video). Vielleicht brauchte es meine Niederlage im letzten Dezember, dass wir hier einen Schritt vorwärts kommen. Beat durfte im Vorfeld der Bundesratswahl offensiver betonen, einen städtischen Kanton und damit eine städtische Perspektive zu vertreten, die es auch braucht im Bundesrat. Ich habe diese Notwendigkeit im vergangenen Jahr auch im Ständeratswahlkampf hervorgehoben und werde auch mein Präsidialjahr als Plattform nutzen, gegen den politisch konstruierten Stadt-Land-Graben in unserem Land anzugehen.

 

Neben den Wahlen beschäftigte uns in dieser Session vor allem das Budget 2024 und der Finanzplan 2025 – 2027 (23.041). Neben den üblichen Diskussionen über Erhöhungen bei der Landwirtschaft und der Regionalpolitik beschäftigte uns vor allem die Diskussion über die vom Nationalrat initiierte Kürzung von 20 Millionen für den Kernbeitrag an die UNWRA (United Nations relief and works agency for palestine refugees in the near east), das Palästinenser Hilfswerk der UNO. Auch andere Länder haben das Hilfswerk in den vergangenen Jahren einer kritischen Analyse unterzogen, da man sicher sein will, dass die Gelder für humanitäre Hilfe eingesetzt werden und nicht für Gewalttaten der Hamas. Nach dem fürchterlichen Massaker der Hamas in Israel vom 7. Oktober 2023 ist eine kritische Haltung sehr nachvollziehbar und wichtig. Aber kein Land kürzt in der aktuellen Notsituation die Gelder, da die Leidtragenden allein die Bevölkerung des Gazastreifens wären. Der Ständerat wollte keine Kürzung, musste sich dann aber auf einen Kompromiss einlassen, auf eine Kürzung von 10 Millionen, aber verbunden mit der Vorgabe, dass es dem EDA überlassen ist, wie die Gelder eingesetzt werden.

 

Erfreulicher war, dass es uns über den Ständerat gelang, die 1.5 Millionen für Präventionskampagnen gegen Gewalt in den Finanzplan 2025 – 2027 aufzunehmen (23.041), entgegen der Planung des Finanzdepartements, obwohl sowohl Ständerat wie Nationalrat entsprechende Motionen überwiesen haben, im Wissen, dass diese Kampagnen zusätzliche Kosten verursachen (Motion Maret 21.4418, von allen Ständerätinnen unterschrieben).

 

A propos Frauen: seit den Wahl 2023 sind wir 16 Ständerätinnen, unser Anteil beträgt historische 35%! Das haben wir am traditionellen Essen der Ständerätinnen, zu dem wir erstmals auch unsere Bundesrätinnen eingeladen haben, in bester Stimmung gefeiert. Wenn wir uns als Frauen überparteilich zusammentun, dann erreichen wir einiges, das haben wir in den letzten vier Jahren mehrfach gezeigt.

 

Für die Region gibt es auch Erfreuliches zu berichten: Im Rahmen des Ausbauprogramms Bahninfrastruktur «Perspektive Bahn 2050» (23.055) ist es mit vereinten Kräften gelungen, in verschiedenen Regionen zusätzlich zu den aus dem BIF (Bahninfrastrukturfonds) beantragten 2.6 Milliarden weitere 350 Millionen zu sprechen, auch für wichtige Projekte unserer Region: 25 Millionen für die Fortsetzung der Planung für die Entflechtung Pratteln und 15 Millionen für die Haltestelle Morgartenring.

 

Ein kleiner Sieg für den gemeinnützigen Wohnungsbau soll auch erwähnt werden mit der Überweisung des Postulats der Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S), worin neben der Wohneigentumsförderung auch die Wirkung des gemeinnnützigen Wohnungsbaus untersucht werden soll (23. 4323). Ich hatte diese Ergänzung in der WAK-S durchgebracht und erhoffe mir dadurch einen weiteren zahlenbasierten Beleg über die Vorteile des gemeinnützigen Wohnungsbaus.

 

Und die Niederlagen zum Schluss: Obwohl überparteilich abgestützt gelang es uns nicht, eine Kommissionsmotion der WAK-S ins Ziel zu bringen, welche die FINMA (Finanzmarktaufsicht) mit zusätzlichen Instrumenten ausrüsten wollte, um einen nächsten Crash einer systemrelevanten Bank unwahrscheinlicher zu machen (23.4336). Obwohl es sich mit dem Senior Manager Regime, der Bussenkompetenz für die FINMA und der Veröffentlichung von Stresstests um selbst bei den Banken unbestrittene Instrumente handelte, wollte die bürgerliche Ratsmehrheit und insbesondere die geschlossene FDP nichts davon wissen. Wir werden sie beim Wort nehmen, auch Bundesrätin Keller-Sutter, dass ihr Widerstand nicht inhaltlicher Natur ist, sondern ein prozeduraler, dass zusammen mit dem auf Frühjahr angekündigten Bericht des Finanzdepartements über solche zusätzlichen Instrumente entschieden werden soll.

 

Ungefähr im selben Zahlenverhältnis wurde auch meine Motion abgelehnt, welche die Bankkundenarchive für die historische Forschung zugänglich machen bzw. Art. 47 des Bankengesetzes so zu ändern, dass Forschende für wissenschaftliche Zwecke Zugang zu Bankkundenarchiven erhalten (23.4206). Das lag sicher nicht daran, dass ich auch hier als Präsidentin weder reden noch abstimmen konnte (ich hätte nur den Stichentscheid gehabt…), die Verhältnisse waren klar. Noch klarer waren sie bei der Motion der WAK des Nationalrates, welche den Bundesrat beauftragen wollte zu prüfen, ob die aktuelle Gesetzgebung geändert werden solle, um die Pressefreiheit in Finanzfragen zu gewährleisten (22.4272). Im Focus war derselbe Artikel 47 des Bankengesetzes, der durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen die Pressefreiheit in der Schweiz im Gegensatz zum Ausland möglicherweise nicht garantiert. Obwohl der Bundesrat bereit war, die Motion – die ja lediglich einen Prüfauftrag enthielt! – entgegenzunehmen, wurde in der WAK-S alles getan, damit nicht einmal dies geschehen würde. Mit Datenschutzargumenten wurde von der eigentlichen Intention abgelenkt und ein Kommissionspostulat eingereicht (23.4322), wogegen nicht per se etwas einzuwenden ist, welches aber dazu führen wird, dass einfach lange nichts passiert oder alles als so kompliziert dargestellt wird, dass Schweizer Journalisten bei künftigen Recherchen internationaler Netzwerke wohl nicht mehr mitmachen werden aus Angst vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen.

 

So ging diese erste Session, die ich geleitet habe, zu Ende, und ich muss sagen, es hat mir Freude bereitet – noch warte ich auf den ersten Stichentscheid!

 

Meine erste Amtsperiode in Bern ist Vergangenheit. Mit allen Höhen und Tiefen kann ich sagen, ich bin in Bern angekommen und freue mich auf die kommenden vier Jahre. Ich freue mich auf das Präsidialjahr, auf die vielen Begegnungen im In- und Ausland, darauf, die Schweiz bei grösseren und kleineren Anlässen zu vertreten, die ganze Schweiz, aber eben auch die urbane Schweiz.

 

Nun wünsche ich alles Gute für 2024 im beruflichen wie privaten und uns allen eine friedlichere Welt.

 

Eva Herzog, 1. Januar 2024