Rückblick - Wintersession 2021

Rückblick auf die Wintersession 2021 (29. November - 17. Dezember 2021)

 

Ein Ratskollege und ehemaliger Finanzdirektor, der schon vier Jahre vor mir in den Ständerat gewechselt hatte, sagte mir zu Beginn, es dauert schon zwei Jahre, bis zu hier ankommst. Nie, dachte ich, dafür habe ich keine Zeit! Aber wie recht er hatte. Seit dieser Session fühle ich mich so richtig angekommen, mit allen Höhen und Tiefen bei Sieg und Niederlage, aber im selben Boot mit allen anderen. Ich freue mich, wenn ich dazu beitragen kann, dem Hüter der Staatskasse mehr Geld auszureissen, um mir wichtige Vorhaben voranzutreiben. und ich habe mich damit abgefunden, dass es für linke Positionen einen langen Atem braucht in Bern, aber  unermüdlich dafür einzutreten, dazu gibt es keine Alternative!

So wurde die AHV auch nicht an einem Tag umgesetzt... Womit ich beim ersten Thema wäre.

 

AHV-Revision

 

Die Sanierung der Finanzierungslücke der AHV soll durch die Erhöhung des Frauenrentenalters erfolgen. Es wurden Abfederungsmassnahmen beschlossen, aber wir wollten mehr. Und solange wir nicht wissen, wie die BVG-Reform ausgeht, ob dort die dringend notwendigen Massnahmen für tiefe Einkommen und Teilzeitarbeit durchkommen, ist die Beurteilung der AHV doppelt schwierig. Dass wir nach wie vor keine Lohngleichheit haben, hat der Bundesrat in seiner Antwort auf meine Interpellation einmal mehr bestätigt (21.4190), die Resultate der Lohnanalysen der ersten 300 Firmen, die bisher publiziert haben, lassen hier keine allgemeingültigen Schlüsse zu – und eine tolerierte Lohndifferenz von unerklärten Faktoren von 5% macht mit Zahlen von 2018 durchschnittlich knapp 5600 Franken aus pro Jahr – also weit von einer tolerierbaren Summe.

 

Meine Motivation, der Anhebung des Rentenalters für Frauen zuzustimmen mit Berufung auf das Gleichstellungsgesetz ist auch deshalb nicht so gross, da meine früher geäusserte Beobachtung sich bestätigt, dass zunehmend bestehende Ungleichbehandlungen der Männer angepackt werden, während jahrzehntealte Forderungen von uns Frauen nach wie vor der Erfüllung harren. In der Antwort vom 10. Dezember 2021 auf das Postulat Caroni (19.4092) über die direkten Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern im Bundesrecht kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die meisten heute bestehenden direkten Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern aus rechtlicher Sicht zulässig sind, da sie sich auf einen «gerechtfertigten Grund» abstützen, gemeint sind Schwangerschaft und Mutterschaft, zurückzuführen auf biologische Gründe, wie der Bundesrat schreibt. Als ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen, die angegangen werden müssten oder schon behandelt würden, nennt der Bundesrat das tiefere Rentenalter der Frauen bei der AHV, dass die geltende Definition von Vergewaltigung im Sexualstrafrecht Männer als Opfer ausschliesst, Ungleichbehandlungen der Witwer verglichen mit den Witwen bei der AHV und die ausschliesslich für Männer bestehende Militärdienstpflicht... Braucht es dazu einen Kommentar?

 

Revision des Familienrechts

 

Mit der Revision des Familienrechts wurde die Situation der Männer verbessert, indem sich Frauen nicht mehr darauf verlassen können, nach einer Scheidung finanziell abgesichert zu sein, wenn sie sich während der Dauer der Ehe ganz oder hauptsächlich der Kinderbetreuung gewidmet haben. Auch hier: zuerst eine Verschlechterung für die Frauen, obwohl es nach wie vor nicht genügend bezahlbare Kitaplätze gibt und negative Anreize für Berufstätigkeit von verheirateten Frauen im Steuerrecht. Dass auch etliche männliche Mitglieder des Ständerates wissen wollen, wie sich diese neue Unterhaltspraxis bezüglich Unterhaltsentscheiden bei Scheidungen auf die finanzielle Situation der Frauen auswirkt, hat mich sehr gefreut. Mit deutlichem Mehr wurde meine diesbezügliche Motion überwiesen (21.4191), sie geht jetzt an den Nationalrat. (Link zum Votum)

 

 

Weitere Vorstösse zu Gleichstellungsthemen

 

In einem überparteilichen Akt im National- und Ständerat haben wir verschiedene weitere Vorstösse zu Gleichstellungsthemen lanciert: alle Ständerätinnen haben einen Vorstoss unterschrieben, der Präventionskampagnen gegen Gewalt an Frauen fordert, wie sie die Istanbul Konvention verlangt (21.4418), gleichlautende Vorstösse wurden im Nationalrat eingereicht (21.4471). Im Nationalrat hat Min Li Marti ausserdem einen Vorstoss eingereicht (21.513), der «Geschlecht» bei Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuchs verankern soll (dem sogenannten Antirassismusartikel), da sexistische oder sexualisierte Gewaltaufrufe ebenso zu verurteilen sind wie rassistische, antisemitische oder homophobe. Tamara Funiciello hat eine parlamentarische Initiative eingereicht, mit der sie unterlassene Hilfestellung bei Vergewaltigung unter Strafe stellen will, um der «Gesetzeslücke» zu begegnen, die sich im Vergewaltigungsfall in Reinach BL gezeigt hatte (21.518, und https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/wegschauen-erlaubt-ld.2207984?reduced=true)

 

Kommission für Wirtschaft und Abgaben

 

Gleichstellungsfragen beschäftigen mich auch in der WAK, in der ich neu Einsitz habe. Bundesrat Ueli Maurer und die Steuerverwaltung haben uns verschiedene Varianten zur Individualbesteuerung vorgelegt, in den kommenden Sitzungen sollen wir die Stossrichtung für die Erarbeitung der Vernehmlassungsvorlage vorgeben.

 

Als Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Arbeit und Nachfolgerin von Beat Jans habe ich am 30. November eine Informationsveranstaltung zur Individualbesteuerung gemacht, die auf guten Anklang gestossen ist.

 

Die Steuersenkungseuphorie von bürgerlicher Seite, welche die Beratungen in der WAK dominiert, ist schwer zu ertragen, da sich die bürgerliche Mehrheit auf Bundesebene auch im Plenum spielend durchsetzen kann, wenn ihr danach ist. Aktuelle Stichworte: Abschaffung der Industriezölle; Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital (Abstimmung am 13. Februar); Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinsen. (Link zum Votum) Ich kann nur von den vernünftigen Kompromissen träumen, die in Basel in steuerlicher Hinsicht – von meiner Warte aus! – in den vergangen Jahren erreicht wurden.

 

Budget

 

Nicht zuletzt haben wir in der Wintersession das Budget 2022 unter Dach und Fach gebracht, mit sinnvollen Mehrausgaben u.a. für den Bahnverkehr von 233 Millionen (Link zum Votum) , aber auch mit einer Querschnittskürzung bei den Personalausgaben von 21 Millionen Franken, die absolut quer in der Landschaft steht angesichts der stetig wachsenden Aufgaben der Verwaltung (Link zum Votum), gerade auch in der Krise und den dringend notwendigen Sach- und Personalressourcen, um den Rückstand bei der Digitalisierung aufzuholen.

 

Und damit geht ein ereignisreiches und für viele gesundheitlich und / oder wirtschaftlich sehr schwieriges Jahr bald zu Ende. Hoffen wir auf Lichtblicke bei der Bekämpfung der Pandemie im nächsten Jahr, immerhin ist die Schweiz in der glücklichen Lage, über die finanziellen Mittel zu verfügen, um die Krise wirtschaftlich zu meistern – solange sie auch auf der Einnahmeseite eine zurückhaltende Politik verfolgt.

 

Ich wünsche Ihnen allen schöne Festtage und einen guten Rutsch ins 2022!

 

Eva Herzog