Rückblick auf die Sommersession vom 2. bis 20. Juni 2025

Die Spannung blieb hoch bis zum letzten Tag. Doch schliesslich hat sich der langjährige Einsatz für die Individualbesteuerung gelohnt! Geld stand auch im Zentrum der Debatten über die Schuldenbremse, internationale Zusammenarbeit oder Bahninfrastruktur. Bei den Beziehungen zur EU sind wir nun auf gutem Weg. Mein persönlicher Rückblick auf die Sommersession.


Wie kam es zu diesem Erfolg bei der Individualbesteuerung? Mit Stichentscheid des Präsidenten bereinigten wir am zweiten Sessionstag die Differenzen zwischen National- und Ständerat. Wir einigten uns auf einen Kompromiss beim indirekten Gegenvorschlag zur Initiative, der mit 600 Millionen Franken Steuerausfällen bei Bund und Kantonen weniger «teuer» ist als die bundesrätliche Variante, aber immer noch garantiert, dass die meisten Steuerpflichtigen profitieren.

Bei der Schlussabstimmung über die Individualbesteuerung durfte dann niemand fehlen, da sich die fortschrittlichen Befürwortenden und die Bremsenden in beiden Räten ungefähr die Waage halten. Unsere Seite (SP, Grüne, FDP und Grünliberale) gewann mit 22:21 Stimmen. Damit ist die Heiratsstrafe endlich abgeschafft und wir setzen Arbeitsanreize für die zweitverdienende Person; das sind meistens Frauen (Debatte, mein Votum).

Wir feierten den Zwischensieg am letzten Sessionstag und sind nun gespannt, wie es weitergeht. Das Referendum ist seitens Mitte und SVP angekündigt, die Kantone drohen mit dem Kantonsreferendum.

Die Aussenpolitik prägte auch diese Session: Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine brachte den Krieg zurück nach Europa; und seit Donald Trump zum zweiten Mal Präsident der USA ist, können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass die USA diesen Krieg beendet wie noch den Balkankrieg in den 90er Jahren.

Am Wochenende nach der Session bombardierte die USA drei Urananreicherungsanlagen des Iran. Ob dies das Pulverfass im Nahen Osten zur Explosion bringt oder Iran zum Frieden zwingt, wird sich weisen. Kriege scheinen wieder zum Normalfall zu werden. Die USA wollen kein verlässlicher Partner mehr sein. Europa rüstet auf. Auch die Schweiz will ihre Rüstungsausgaben erhöhen. Die Diskussionen dabei reichen von noch stärkerem Betonen der Neutralität bis zur verstärkten Zusammenarbeit mit der NATO.

Entlarvend war diesbezüglich die Diskussion im Ständerat über eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes (Debatte): Ursprünglich war das Ziel, einen Weg zu finden, um Reexporte von Waffen aus der Schweiz an die Ukraine zu erlauben. Schliesslich stimmte dann eine Mehrheit ganz unverblümt für einer Vorlage, welche die wirtschaftlichen Interessen – im Klartext die Unterstützung der darbenden Schweizer Rüstungsindustrie – zum Massstab für die Handhabung der schweizerischen Neutralität auf diesem Gebiet machte – nicht etwa völkerrechtliche Grundsätze.

Die Schweizer Armee soll aufgerüstet werden. Die Mehrausgaben sollen vor allem zulasten der Entwicklungszusammenarbeit gehen, aber auch zulasten von Bildung, Forschung und öffentlichem Verkehr – denn die Schuldenbremse ist heilig in unserem Land mit der OECD-weit tiefsten Verschuldung.

Ich reichte eine Motion ein, die eine Adjustierung der Schuldenbremse verlangt (Motion). Damit entspräche diese wieder der ursprünglich vom Volk verabschiedeten Vorlage. Zudem würde sich der Handlungsspielraum im Budget leicht erhöhen, wenn die Überschüsse des Budgets nicht mehr automatisch in den Schuldenabbau fliessen. Die Schulden würden so konstant gehalten, Ausgaben und Einnahmen im Gleichgewicht – so wie es der Verfassungsartikel vorschreibt.

Der Ständerat überwies meine Motion an die zuständige Kommission. Mein Ziel ist, dass wir sie in der Finanzkommission zusammen mit dem Entlastungspaket 27 besprechen. Ausgaben- und Einnahmenseite sowie der Rahmen, den die Schuldenbremse schafft, sollten wir gemeinsam betrachten, wenn wir im Herbst versuchen, die Defizite der nächsten Jahre möglichst klein zu halten.

Denn Defizite soll es geben, laut Bundepräsidentin Keller-Sutter; auch wenn die Rechnung 2024 wiederum viel besser ausgefallen ist, als budgetiert (25.003). Das sei alles vorübergehend und einmalig, sagt die Finanzministerin… Ein mir nicht ganz unbekannter Diskurs, mit dem wir auf die Beratung des Budgets 2026 und den Finanzplan der kommenden Jahre eingestimmt werden sollen. Beide sind geprägt vom Entlastungspaket 27, mit dessen Behandlung wir im Herbst starten. Am 25. Juni hat der Bundesrat nach gehabter Vernehmlassung die Botschaft dazu verabschiedet (Medienmitteilung).

Der Widerstand gegen dieses Paket ist gross, was nicht erstaunlich ist. Es entstand nicht im Dialog mit den Betroffenen, den Kantonen und Gemeinden, den Hochschulen oder den Entwicklungsorganisationen. Auch ein Schulterschluss mit den Parteien wurde vom Bundesrat nicht gesucht. Niemand fühlt sich dem Paket als Ganzes verpflichtet.

Ich werde mich vor allem gegen einen weiteren Kahlschlag bei der internationalen Zusammenarbeit wehren: Angesichts der Tatsache, dass durch Streichungen der USA weltweit etwa ein Drittel der humanitären Hilfe von einem Tag auf den anderen wegfällt, sollte die Schweiz nicht noch zusätzlichen Schaden anrichten. Sie soll sich im Gegenteil als verlässliche Partnerin zeigen, die mit den betroffenen Ländern Überbrückungsfinanzierungen sucht. Die Länder des Globalen Südens, die dazu in der Lage sind, sollen sich künftig stärker beteiligen. Das geht aber nicht von heute auf morgen.

Die Einstellung lebenswichtiger medizinischer Programme hat bereits zu mehreren hunderttausend Toten geführt. Malaria, HIV und Tuberkulose, die in den vergangenen Jahrzehnten so erfolgreich bekämpft wurden, nehmen bereits wieder zu.

Das Swiss Tropical und Public Health Institut, dessen Kuratorium ich präsidiere, stellt bei seiner Arbeit seit Jahrzehnten das «capacity building» ins Zentrum. Das heisst, die Ausbildung lokaler Fachkräfte, um die Abhängigkeiten des Südens vom Norden zu verringern. Dies muss noch stärker die Norm werden.

Und in der Schweiz muss sich das Bewusstsein noch stärker durchsetzen, dass internationale Zusammenarbeit kein einseitiges Geben von Ländern wie der Schweiz ist, sondern den Geberländern selbst auch zugutekommt. Armutsbekämpfung und Unterstützung der einheimischen Wirtschaft vermindert den Migrationsdruck und schafft neue Märkte.

Ausserdem profitiert von den Investitionen in die globale Gesundheit die Gesundheitsindustrie des Nordens gleich mit. In diesem Zusammenhang stehen zwei Vorstösse, die ich in dieser Session eingereicht habe (Motion, Interpellation).

Mit einem weiteren Vorstoss fordere ich den Bundesrat auf, eine Standortstrategie für den Pharma- und Biotechnologie-Standort Schweiz zu entwickeln und umzusetzen (Motion).

Die Stossrichtung ist ähnlich wie im Vorstoss, den Patricia von Falkenstein im Nationalrat eingegeben hat. Mir geht es in erster Linie darum, ein besseres Verständnis für den volkwirtschaftlichen Nutzen unserer Leitbranche zu schaffen und sie nicht vor allem als Kostenfaktor des Gesundheitssystems zu sehen.

Ein anderer wichtiger Punkt des Entlastungspakets betrifft die Fördertöpfe für den öffentlichen Verkehr – allen voran den Bahninfrastrukturfonds (BIF). Das Entlastungspaket sieht vor, zur Budgetentlastung die Einlagen in den BIF zu kürzen. Die Begründung: Der Fonds sei gut dotiert, es habe genügend Reserven.

Doch seit die SBB neu gerechnet haben und auf 14 Mrd. höheren Kosten für bereits beschlossene Projekte des Ausbauschrittes 2035 gekommen sind und von geplanten Projekten mit Kosten von 20 – 30 Mrd. sprechen, kann nicht mehr von genügend BIF-Reserven gesprochen werden.

Maya Graf und ich stellten dem Bundesrat dazu Fragen in Bezug auf unsere Region (Interpellation Herzog, Interpellation Graf). Die schriftlich vorliegenden Antworten waren sehr unbefriedigend.

In der Debatte machte der zuständige Bundesrat Albert Rösti aber dann doch ein paar Aussagen, an die wir ihn gerne erinnern werden, wenn im Herbst der Bericht von ETH-Professor Ulrich Weidmann erscheint (externe Untersuchung zur Priorisierung beschlossener und geplanter Projekte bis 2045). Dann wird nämlich wieder über den Bahnknoten Basel diskutiert werden.

Bundesrat Rösti versicherte in der Debatte, dass bei der notwendigen Priorisierung nicht einfach alle erst in Planung befindlichen Projekte auf die lange Bank kommen. Auch diejenigen Projekte, die beschlossen sind, aber noch gestoppt werden könnten, müssen sich einer neuerlichen Prüfung unterziehen.

Wir rechnen also damit, dass erste Tranchen für den Bahnknoten Basel, neben der Ertüchtigung auch der Tiefbahnhof, in der nächsten Botschaft 2027 enthalten sind – mit klaren Bekenntnissen zum weiteren Ausbau.

Seien wir ehrlich: Auf eine Aufstockung des BIF werden wir nicht verzichten können. Das weiss auch Bundesrat Rösti und Beleg dafür ist, dass Professor Weidmann auch den Auftrag hat, eine Variante mit aufgestocktem BIF darzulegen.

Während der Session fand ein weiterer Runder Tisch zur Problematik rund um das «Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung ISOS und Ortsbildschutz“ (kurz ISOS) statt, an dem ich als Präsidentin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz teilnahm. Die Direktanwendung von ISOS ist in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem missbräuchlichen Einspracheinstrument geworden – auch gegen dringend benötigte neue Wohnungen im gemeinnützigen Bereich.

Ich war positiv überrascht, wie viel gute Arbeit hierzu in einer interdepartementalen Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesamtes für Kultur (BAK) – unter Beizug von Städten und Gemeinden – schon geleistet worden war. Es liegen heute konkrete Lösungen auf dem Tisch, die auf Verordnungsebene rasch umgesetzt werden können.

Folgerichtig hätte der Ständerat die Motion Würth nicht überweisen müssen (Motion Würth, Debatte, mein Votum) insbesondere mein Votum). Aber die Ratsmehrheit will so den Druck hochhalten, dass sich etwas bewegt – immerhin räumte der Motionär ein, dass er auch Verordnungsänderungen eine Chance gibt, wenn sie die Probleme lösen können.

Während ich diese Zeilen schreibe, ist der Sommer eingekehrt. Die Sonne strahlt, der Rhein glitzert, alle sind draussen. Während der Woche der internationalen Kunstmesse Art Basel zeigte sich Basel wiederum von seiner schönsten Seite, am Rhein mischte sich das Art-Publikum unter die anderen Badenden und Sonnenhungrigen, alle sassen draussen bis spät in die Nacht. Die Messe und die Side-events waren glamourös und weltstadttauglich. Gleichzeitig war es auch provinziell und gemütlich – die so typische Basler Mischung.

Basel hat einen guten Lauf. Nach der erfolgreichen Ausrichtung des ESC hat der FCB das Double gemacht und bald steht die Stadt im Zeichen der Fussball-EM der Frauen.

Umso erfreulicher für unsere weltoffene Region, dass der Bundesrat in der Europafrage endlich eine klarere Haltung zeigt: Er unterschrieb die Verträge mit der Europäischen Union. Und er positionierte sich auch zur Frage, ob diese dem fakultativen oder obligatorischen Referendum (mit Ständemehr) unterstellt werden sollen, wobei er sich – in meinen Augen zu Recht – für ersteres entschied.

Die neuen Verträge sind eine Fortsetzung des bilateralen Weges mit einer klaren Regelung, wie sich wandelndes EU-Recht von der Schweiz künftig übernommen wird. Das ist ganz im Interesse unserer Wirtschaft, für die der europäische Markt der wichtigste ist. An stabilen Verhältnissen mit unseren Nachbarn haben wir in diesen unsicheren Zeiten alle ein Interesse (Medienmitteilung).

Auch das Parlament zeigte sich offen für Europa. Die Räte bewilligten einen Nachtragskredit von 666 Millionen Franken, den Pflichtbeitrag für die Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen für Forschung und Innovation im Jahr 2025. Eine langfristige Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen hängt jedoch von der Annahme des Gesamtpakets der bilateralen Abkommen ab.

Eva Herzog / 25.6.2025