Rückblick auf die Frühjahrssession vom 3. – 21. März 2025

Eine ereignisreiche und durchaus auch erfreuliche Session ist letzten Freitag mit den Schlussabstimmungen zu Ende gegangen. Aussenpolitische Fragen, Besteuerungs- und Finanzfragen, Gleichstellung und positive Zeichen für die regionale Schifffahrt waren einige der Höhepunkte aus meiner Sicht.

Aussenpolitik: Europa, UNWRA und schweizerische Sicherheitspolitik

Aussenpolitisch leben wir ja in einer anspruchsvollen und auch bedrückenden Zeit, in der alles möglich scheint und vor allem das Vertrauen in faktenbasierte Entscheide und in die Vernunft als allgemeine Leitlinie menschlichen Handelns schwer erschüttert ist. Umso erfreulicher ist die Einigung über die Lohnschutzmassnahmen zwischen den Sozialpartnern und den Kantonen, die der Bundesrat am vergangenen Freitag verkünden konnte. Damit haben sich die Voraussetzungen für die Akzeptanz der zwischen der Europäischen Union und der Schweiz ausgehandelten Verträge deutlich verbessert. Dem WBF und insbesondere Staatssekretärin Helene Budliger Artieda ist hier ein Kränzchen zu winden.
Erleichtert war ich auch über die Ablehnung der Motion Zuberbühler (Motion), welche die Zahlungen an die UNRWA, das Hilfswerk der UNO für Palästina-Flüchtlinge, einstellen wollte. Die Hamas ist eine verbrecherische Organisation, welche die eigene Bevölkerung ganz bewusst für ihre Sache opfert. Gerade deshalb darf die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen nicht im Stich gelassen werden, insbesondere angesichts der humanitären Notlage, die sich seit dem furchtbaren Anschlag auf Israel vom 7. Oktober 2023 und dessen Folgen weiter verschärft hat. Die humanitäre Hilfe einzustellen, wäre ebenso zynisch wie kontraproduktiv und dürfte zu einer weiteren Radikalisierung und Eskalation des Konflikts beitragen.

Humanitäre Tradition der Schweiz, Neutralität, Erosion des Multilateralismus, sicherheitspolitische Positionierung und Aufrüstung – diese Fragen beschäftigen uns alle, nicht nur im Parlament. An einer Veranstaltung der Gesellschaft Schweiz – UNO (Programm), die ein Fazit zog zu zwei Jahren Mitgliedschaft der Schweiz im UNO Sicherheitsrat waren durchaus Voten zu hören, die ein Positionierung der Schweiz zum Ausdruck brachten, welche nicht nur das altbekannte und veraltete Bild der Schweiz als Insel malten. Die Kernaussagen von Joachim Adler, Chef Verteidigungspolitik im VBS auf zwei Fragen lauteten:

«Was ändert?
1. Die Bedrohung hat zugenommen.
2. Der Boden unter unseren Füssen bewegt sich.
3. Wegducken wird schwieriger» - womit er die Aussenpolitik der Schweiz meinte. Und auf die zweite Frage:

«Was bleibt?
4. Die Globalisierung bleibt. Der Alleingang funktioniert nicht.
5. Die Schweiz bleibt in Europa. Politisch, wirtschaftlich, sicherheitspolitisch.
6. Die Werte der UNO-Charta und die Werte der Schweiz bleiben.»
Falls dies der Leitfaden für die schweizerische Sicherheitspolitik der kommenden Jahre ist, dann stimmt mich dies ebenso zuversichtlich wie der eingangs erwähnte Schritt in der Europapolitik. Mit der Wahl von Martin Pfister zum Bundesrat ist die Wahrscheinlichkeit dazu immerhin gestiegen!

Finanzierung der kommenden Herausforderungen

Die Finanzierung der geänderten sicherheitspolitischen Weichenstellungen und die damit einhergehende Aufrüstung dominiert die politischen Diskussionen nicht nur in der Schweiz: Ohne eine Lockerung der Schuldenbremse wären die Milliardeninvestitionen in Deutschland in die Sicherheit und die Infrastruktur nicht möglich und die neue Koalition politisch am Ende, bevor sie angefangen hat zu regieren.
Und in der Schweiz? Auch bei uns soll die Armee mehr Geld erhalten, bis 2032 sollen die Ausgaben 1% des BIP (Bruttoinlandprodukt) erreichen. Der Bundesrat will auf Vorschlag der Finanzministerin die Gelegenheit nutzen, dies zulasten anderer Ausgaben zu finanzieren und hat zu diesem Zweck das Entlastungspaket 27 (Medienmitteilung) geschnürt. Dieses geht auch zulasten der Kantone und Städte. Um gerde für letzteres zu sensibilisieren, haben wir seitens der neu gegründeten Parlamentarischen Gruppe Städte (Gründung der PG Städte) einen Veranstaltung durchgeführt in der ersten Sessionswoche (Einladung). Verschiedene Podien haben sich dem Finanzhaushalt des Bundes und dem Entlastungspaket 27 gewidmet (Podium Avenir Suisse vom 13.3.2025, Veranstaltung SPAG vom 11.3.2025) und aktuell läuft die Vernehmlassung. Die Kantone sind stark betroffen und haben sich ebenfalls schon zu Wort gemeldet. Es sind insbesondere Geberkantone mit Zentrumsleistungen und -lasten wie Basel-Stadt, die zur Eliminierung des Defizits im Bundesbudget beitragen sollen, das mehr für Armee und Landwirtschaft einsetzen will – aber weniger für internationale Zusammenarbeit, Bildung, Forschung, Verkehrsinfrastruktur und Umwelt. Wir werden uns wehren!

Auf Dauer werden Massnahmen auf der Ausgabeseite aber nicht reichen, da zu den Mehrausgaben für die Armee auch Mehrkosten aufgrund der demographischen Entwicklung (Sozialausgaben und Gesundheitskosten) kommen wie auch die Ausgaben für die Eindämmung des Klimawandels. Neben der Vermeidung von unnützen Einnahmeausfällen wie durch die Abschaffung des Eigenmietwertes ist deshalb weitere Fantasie gefragt. Der Bundesrat hätte die Möglichkeit, die Regeln der Schuldenbremse grosszügiger auszulegen, als er dies tut, indem er die Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen oder den Mehrbedarf der Armee ausserordentlich budgetieren würde. Auch die Schaffung spezieller Fonds wäre möglich, bisher haben alle diesbezüglichen Versuche aus dem Parlament keine Mehrheiten gefunden. Ich habe nun einen anderen Ansatz gewählt, indem ich eine gesetzliche Anpassung bei der Schuldenbremse vorschlage, welche den Handlungsspielraum leicht erhöht, indem die Ueberschüsse nicht mehr in den Schuldenabbau fliessen müssen, sondern verwendet werden dürfen (Motion).


Tag der Frau im Zeichen der Sicherheit und erste Runde bei der Individualbesteuerung

Am 7. März, dem Vortag des Internationalen Tags der Frau feierten wir diesen wiederum mit rund 350 Frauen im Bundeshaus. Nach der «finanziellen Selbständigkeit von Frauen» im letzten Jahr, als ich den Anlass als Ständeratspräsidentin ins Leben gerufen hatte, tagten wir in diesem Jahr unter dem Motto «Sicherheit» (Programm). Dass wir so aktuell sein würden, konnten wir nicht ahnen. Wiederum war es bei aller Schwere der Themen ein fantastischer Tag, an dem wir Energie und Motivation tanken konnten ob dem geballten Frauenpower, der das Bundeshaus füllte.

Kraft und einen langen Atmen können wir brauchen auf dem Weg zur Individualbesteuerung (IB), welche die wirkliche Basis ist für die finanzielle Selbständigkeit der Frauen, da sie die Arbeitsanreize für Zweitverdiener, immer noch meist Frauen, erhöht und durch das Ausfüllen der eigenen Steuererklärung das Bewusstsein über die eigene finanzielle Lage fördert (Botschaft). In beiden Räten stehen sich als fixe Blöcke einerseits SP, Grüne, FDP und GLP als Befürwortende der IB und andererseits Mitte und SVP als VertreterInnen eines traditionellen Familienmodells (statistisch ein Auslaufmodell, aber wen interessiert es...) gegenüber. Der Nationalrat hat uns mit knapper Mehrheit die Vorlage des Bundesrates rübergeschickt und mit dem Hinweis von linker Seite, dass die Steuerausfälle bedeutend tiefer als eine Milliarde betragen sollen. Sind die Ausfälle zu tief, wird es aber zu viele Verliererinnen und Verlierer geben wie bei jeder Steuergesetzrevision und dann macht die FDP nicht mehr mit – hier einen Kompromiss zu finden, daran arbeiten wir zur Zeit! Denkbar knapp haben wir die Vorlage im Ständerat beschlossen und jetzt sind wir an der Differenzbereinigung mit dem Nationalrat, die wir im besten Fall in der Sommersession abschliessen werden. (Votum) Bei Mitte und SVP hat man das Gefühl, es gehe um ihre Existenz, ihr Weltbild, mit aller Kraft versuchen sie die Reform zu verhindern, haben zusätzlich eine eigene Initiative eingereicht, die zusätzlich Sand ins Getriebe streut und das taktische Vorgehen weiter verkompliziert (Botschaft).

PUK-Bericht und Bankenregulierung

Der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission zur «Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise» ist fristgerecht erschienen, in seinen Resultaten erhellend und liest sich stellenweise wie ein Krimi (PUK-Bericht). Im Ständerat und Nationalrat gab dies Anlass zu einer langen Debatte, durchaus gehaltvoll und warnend, aber ob dannzumal auch eine strengere Regulierung resultiert, steht noch in den Sternen. Ich habe vor allem auch darauf hingewiesen, dass kein Land so exponiert ist wie die Schweiz, kein Land verfügt über eine international tätige Bank, deren Bilanzsumme das Doppelte des BIP der Schweiz ausmacht und die aufgrund des kleinen Heimmarktes vor allem im Ausland tätig ist (Mein Votum). Die UBS ist die grösste Vermögensverwaltungsbank der Welt! Und sie lobbyiert bereits mit allen Mitteln gegen schärfere Regulierungen, insbesondere gegen eine bedeutende Erhöhung des Eigenkapitals. Beide Räte haben auch die von der PUK im Konsens verabschiedeten Vorstösse überwiesen, welche die wesentlichen Punkte aufgreifen, aber noch nicht so klar und griffig formuliert sind, dass wirklich klar wäre, wohin die Reise geht.
Bis auf eine Motion von Köbi Stark, welche die Löhne bei 3 – 5 Millionen deckeln will und im Ständerat überraschend überwiesen wurde (Motion).

Neben Präventionsmassnahmen wie einer höheren Unterlegung mit Eigenkapital und Liquidität braucht es im Moment einer Krise einer systemrelevanten Bank, wenn sie nicht mehr aus eigener Kraft weiterbestehen kann und abgewickelt werden muss ausserordentliche Liquidität der Nationalbank (SNB) mit Sicherheiten des Bundes, sprich der SteuerzahlerInnen. Dieser sogenannte «Public Liquidity Backstop» (PLB), der die Uebernahme der CS durch die UBS überhaupt ermöglichte und im März 2023 mit Notrecht eingeführt wurde, soll künftig im Gesetz verankert werden. In der WAK-S sind wir nach längerer Beratung und verschiedenen Hearings zum Schluss gekommen, dass wir diesen PLB, den man durchaus als implizite Anerkennung der Staatsgarantie von systemrelevanten Banken betrachten kann, nicht VOR der Revision der gesamten Regelung für systemrelevante Banken einführen wollen (Too big to fail oder TBTF-Regeln), sondern zusammen mit dieser (Meine Berichterstattung im Rat). Einerseits schafft der PLB internationales Vertrauen, dass die Schweiz im Notfall alles tun würde, um eine internationale Finanzkrise zu verhindern, andererseits könnte er bewirken, dass die Banken ein grösseres Risiko eingehen, weil sie sich auf ihn verlassen können im Notfall (Gefahr des Moral Hazard). Höheres Risiko, mehr Gewinn für die Banken, Verluste für die Allgemeinheit, wenn es schief geht – um dem entgegenzuwirken, wollen wir den PLB insbesondere zusammen mit der Eigenmittelunterlegung der systemrelevanten Banken diskutieren: mehr Eigenkapital mindert das Risiko, dass der Staat eine Bank retten muss. Die Grundsätze für die revidierten TBTF-Regeln will der Bundesrat im Mai 2025 präsentieren, die Vernehmlassung der Botschaft soll Ende 2025/Anfang 2026 starten und Ende 2026 soll die Botschaft ans Parlament gehen. Das wird noch viel Ausdauer brauchen!


Totalrevision des Gütertransportgesetzes

Last but not least und die reine Freude zum Schluss! Mit der deutlichen Zustimmung zur Totalrevision des Gütertransportgesetzes wurde ein Meilenstein erreicht für die Güterschifffahrt auf dem Rhein, indem neben der Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs auf der Schiene auch die gesetzlichen Grundlagen gelegt wurden für ein finanzielles Engagement des Bundes bei der Hafeninfrastruktur und der Einführung und Nutzung klimaneutraler Antriebe in der Binnenschifffahrt (Geschäft). Damit sind alle Anliegen meiner Motion erfüllt, die 2020 von beiden Räten an den Bundesrat überwiesen wurde (Motion, Medienmitteilung SVS).
Einen längeren Schnauf wird es bei einem anderen zentralen Anliegen der Region brauchen: dem Bahnknoten Basel. Nach der Kostensteigerung beim Ausbauschritt 35 werden die Verteilungskämpfe im BIF (Bahninfrastrukturfonds) noch schwieriger werden. Mit verschiedenen Interpellationen halten wir die Aufmerksamkeit für unser wichtiges Projekt am Laufen. Es ist unabdingbar, dass nach dem Planungskredit erste Tranchen für die Umsetzungsarbeiten für den Tiefbahnhof Basel Eingang in die nächste Botschaft des Bundesrates finden, wir arbeiten mit vereinten Kräften daran. (Beantwortete Interpellation, Weitere Interplelationen: Herzog, Graf, Schneeberger).

Eva Herzog 27.3.2025