Rückblick - Frühjahrssession 2021

 

Am Freitag ging die Frühjahressession 2021 zu Ende. Die leider noch immer sehr aktuelle Corona-Pandemie dominierte auch zu weiten Teilen unsere Session. Wir konnten mit verschiedenen Massnahmen im Covid-19-Gesetz die finanzielle Unterstützung für die Bevölkerung und Wirtschaft deutlich verbessern.
Auch bei Gleichstellungsthemen war etwas los. Neben einigen Erfolgen steht uns mit der Revision der AHV aber auch ein schwieriges Projekt bevor. Die Revision darf nicht allein zulasten der Frauen gemacht werden.
Finanzielle Sicherheiten wurden auch gesprochen für den gemeinnützigen Wohnungsbau und die Sistierung von Immobilienprojekten der SBB, welche auch unsere Region betroffen hätte, konnte verhindert werden. Dazu News zum Evergreen Erdbebenversicherung.

Das ganze nun in meinem ausführlichen Bericht zur Frühjahrssession 2021:

 

 

Covid-19-Gesetz

 

Viel wurde schon geschrieben über die Behandlung des Covid-19-Gesetzes, den grössten Raum nahm das grosse Geschrei im Nationalrat ein, das sich dann in Luft aufgelöst hat, darauf will ich nicht noch einmal eingehen. Wesentlich sind die Massnahmen, die wir beschlossen haben. Seit einem Jahr versuchen wir die finanziellen Lücken zu füllen, die sich zunehmend auftun für notleidende Betriebe und Menschen in dieser Krise. Angefangen vor einem Jahr mit den Covid-19-Darlehen und vor allem dem Ausbau von Kurzarbeit und Erwerbsersatz. Die Taggelder für Kurzarbeit wurden nochmals erhöht und unser Erfolg aus der letzten Session, dass tiefe Einkommen 100% des Lohns erhalten, bis Juni 2021 verlängert. Diese Massnahmen sind vor Augen zu haben, wenn man über die Härtefallmassnahmen spricht, die seit letztem Herbst im Zentrum der Diskussion stehen und die wir fortlaufend ausbauen. Sie sind nicht die einzige Hilfe, die ausgerichtet wird. Aber sie sind notwendig, um die ungedeckten Fixkosten zumindest teilweise zu decken.

 

Bei der jetzigen Überarbeitung des Covid-19-Gesetzes wurden die Härtefallmassnahmen von 2.5 Milliarden auf 10 Milliarden erhöht. Damit wurde der Kreis der Berechtigten erweitert und  es werden auch Mittel für grössere Unternehmen bereitgestellt. Für Basel ist das wichtig für Unternehmen, die hier ihren Sitz haben und etliche Betriebsstätten in anderen Kantonen. Nach den ersten Bestimmungen hätten sie einen sehr tiefen Maximalbetrag von 750'000 Franken erhalten. Ihre Forderung nach Antragsstellung nach Betriebsstätten im jeweiligen Kanton war nicht mehrheitsfähig, die überwältigende Mehrheit der Kantone wollte das nicht. Die jetzige Lösung nimmt unsere Forderung aber auf andere Weise auf: Der Bund stellt 3 Milliarden zur Verfügung für Unternehmen mit einem Umsatz über 5 Millionen Franken, und die Maximalsumme kann unter gewissen Bedingungen bis zu 10 Millionen Franken betragen.

 

Einen langen Weg haben wir im Kulturbereich hinter uns: Endlich haben auch die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler (in der Westschweiz: les intermittants) explizit Anspruch auf Ausfallentschädigungen. Und mit der Verordnungsänderung, die der Bundesrat noch beschliessen wird, wird die Nothilfe von Swissculture Sociale ausgebaut und die Auszahlung beschleunigt. Hilfreich waren hier die Vorstösse von Basel und Zürich für die Entschädigung durch Pauschalbeträge: es gelang uns zwar nicht, ein solches Modell auf Bundesebene durchzusetzen (auch hier, Widerstand der Kantone…), aber Basler und Zürcher Modell halfen uns beim Ausbau der Nothilfe von Swissculture Sociale – durchaus eine gute Alternative, da dies bereits ein funktionierendes System ist. Und vielleicht gelingt es uns auf diese Weise, die Lücken bei der sozialen Absicherung der Kulturschaffenden, die in dieser Krise so offensichtlich zu Tage treten, auch über die Dauer der Gültigkeit des Covid-19-Gesetzes hinaus zu füllen.

 

Auch der von der Event-Branche geforderte Schutzschirm fand Eingang ins Gesetz, für Veranstaltungen von überkantonaler Bedeutung, die zwischen dem 21. Juni 2021 und dem 30. April 2022 hätten stattfinden sollen. Das ist enger definiert als gefordert, lässt aber auch einen gewissen Spielraum und es wurde keine Gesamtsumme definiert, das kann man auch positiv sehen.  Zuerst braucht es nun einen Zeitplan, wann Grossveranstaltungen überhaupt stattfinden dürfen, so weit sind wir leider noch nicht.

 

Die Obergrenze für Beiträge an Kultur und Kulturschaffende wurde gestrichen, das vergrössert den Handlungsspielraum ebenfalls.

 

Aus Frauensicht

 

Aus Frauensicht haben wir eine durchzogene Session hinter uns! Immer zuerst das Erfreuliche:

Meine Motion für ein 24-Stunden-Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Personen gemäss Istanbul-Konvention (20.4463) wurde im Ständerat stillschweigend überwiesen. Dies ist ein schöner Erfolg für unser Frauennetzwerk: alle Ständerätinnen haben den Vorstoss unterschrieben und meine bürgerlichen Kolleginnen konnten ihren Kollegen nahelegen, dass eine Ablehnung dieser Motion, die der Bundesrat ja annehmen wollte, sich am 8. März, dem Weltfrauentag, nicht gut machen würde…

Und schon eine Woche vorher hat der Nationalrat meine Motion zur Verbesserung der Datenlage bezüglich Auswirkungen auf die Geschlechter (20.3588) mit 115:69 Stimmen bei 5 Enthaltungen deutlich angenommen. Sie muss nun umgesetzt werden.

Mein Votum zur Motion für ein 24-Stunden-Beratungsangebot

 

Am 8. März fand die Pressekonferenz zur Lancierung der Initiative für die Einführung einer Individualbesteuerung statt.  Die Initiantinnen, die FDP-Frauen, haben ein breites Komitee zusammengestellt, dem ich auch angehöre. Ich freue mich auf diese Arbeit, auf den Einsatz für die finanzielle Selbständigkeit der Frauen. Diese muss zuerst da sein, bevor unter Berufung ebenfalls auf das Gleichstellungsgesetz Massnahmen zulasten der Frauen umgesetzt werden wie Erhöhung des Rentenalters in der aktuellen AHV-Reform, ohne ausreichende Kompensation, wie sie von der bürgerlichen Mehrheit im Ständerat am 15. März beschlossen wurde (19.050). Wenn der Nationalrat hier nicht nachbessert, droht ein weiteres Debakel in der Volksabstimmung.

 

 


Ins selbe Kapitel gehören die vor kurzem ergangenen Bundesgerichtsurteile (Urteile 5A_907/2018, 5A_311/2019, 5A_891/2018, 5A_104/2018 und 5A_800/2019) betreffend Unterhalt bei Scheidungen: Frauen erhalten weniger Unterhaltszahlungen, es wird erwartet, dass sie finanziell unabhängiger sind – und dies bevor die Kinderbetreuung so ausgebaut wurde, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet ist, durch genügend bezahlbare Plätze und ein auch qualitativ gutes Angebot, und bevor die steuerlichen Fehlanreize beseitigt sind, damit es sich für Frauen überhaupt lohnt, arbeiten zu gehen.

(Artikel in der BZ vom 27. März 2021)

(Artikel in der NZZ vom 12. März 2021)

 

Was geschieht hier? Zuerst kommen die Verschlechterungen für Frauen, gerade mit dem Argument der Gleichstellung, während unsere zum Teil jahrzehntelangen Forderungen weiterhin auf der Strecke bleiben oder auf später vertagt werden.

 

 

Das ist kein Märchen! Es wäre durchaus möglich, die politischen Reformen in dieser Reihenfolge zu gestalten. In der Realität ist es seit Jahrzehnten aber so, dass zwar auch Männer bürgerlicher Parteien das Hohelied der Vereinbarkeit von Familie und Beruf singen, den Fachkräftemangel beklagen, die gleichwertige Ausbildung von Frauen und Männern unterstützen – aber dann klemmen, wenn es um Geld für Kinderbetreuung oder um die Aufhebung steuerlicher Fehlanreize geht. Dann wird plötzlich spürbar, dass die Einverdienerfamilie immer noch ein Idealbild ist in vielen Köpfen – während die Rechtssprechung bereits einen Schritt weiter ist und so tut, also ob es ganz einfach wäre, mit über 45 Jahren, nach jahrelanger kinderbedingter Berufsabstinenz umgehend eine Stelle zu finden und sich weitgehend selber zu finanzieren.

 

Positiv gesehen, ist Bewegung bei der Gleichstellungsfrage, Frauen werden in Wirtschaft und Politik stärker wahrgenommen, in Bildung und Ausbildung hinken wir kaum noch hinterher, die Voraussetzungen sind eigentlich gut. Aber wir müssen aufpassen, dass zuerst nicht die wenigen Vorteile, die wir hatten, im Zeichen der Gleichstellung abgeschafft werden.

 

  • Deshalb sagen wir bei der AHV-Revision noch einmal Nein, wenn der Nationalrat die Vorlage des Ständerats nicht nachbessert.

 

  • Deshalb verlangen wir einen Ausbau der Kinderbetreuung mit Unterstützung aus Bundesmitteln, nicht nur Anschubfinanizierung wie bis jetzt, sondern dauerhaft.

 

  • Deshalb setzen wir uns für die Einführung der Individualbesteuerung ein. Denn nur dieses Steuersystem beseitigt die Zweitverdienerstrafe und sowohl Heiratsvorteile wie -nachteile, nur die Individualbesteuerung ist wirklich zivilstandsneutral.

 

Für den gemeinnützigen Wohnungsbau

 

Unbestritten war im Ständerat wie vorher schon im Nationalrat der Rahmenkredit für die Eventualverpflichtungen in der Wohnraumförderung 2021-2027 (20.074). Der Kredit dient vor allem der Verbürgung von Anleihen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW). Die Mittel werden nur ausgabenwirksam, falls eine Bürgschaft eingelöst werden muss. Dies ist seit dem Inkrafttreten des Wohnraumförderungsgesetzes im Jahr 2003 noch nie vorgekommen. Als Präsidentin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz (wbg ch) freut mich diese klare Unterstützung. Zusammen mit dem Fonds de Roulement ist dies ein wichtiges Instrumente des Bundes zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Die gesprochenen Mittel ermöglichen eine Förderung im selben Umfang wie in den vergangenen Jahren.

 

Mit Blick auf die Region

 

Ein schon fast erstaunlicher Erfolg ist in Sachen Erdbebenversicherung zu vermelden. Nach vielen vergeblichen Vorstössen fand nun ein Vorstoss von Ständerat Beat Rieder (VS) Zustimmung, der einmal einen ganz anderen Weg versucht, nämlich über eine Eventualverpflichtung (20.4329). Hauseigentümer würden dabei verpflichtet werden, im Falle eines Schadenbebens einen bestimmten Prozentsatz des Versicherungswerts ihres Gebäudes als Einmalprämie in ein gemeinschaftliches Gefäss / Versicherung einzubringen. Diese Eventualverpflichtung müsste mittels Grundbucheintrag dinglich abgesichert werden. Diese Mittel wären zweckgebunden für die Bewältigung der Folgen eines Erdbebens (Wiederherstellungskosten an beschädigten/zerstörten Gebäuden) einzusetzen. Diese "Versicherungsprämie" könnte in der Höhe vom Grad des Schadensausmasses abhängig gemacht werden und würde erst im Zeitpunkt des Schadenseintritts fällig.

Abgelehnt wurde hingegen die Standesinitiative von Baselland zur Einführung einer Erdbebenversicherung (19.307).

Mein Votum zur Erdbebenversicherung

 

Wichtig auch für unsere Region war ausserdem die Motion von Olivier Francais (21.3023), Kein Stopp der Immobilienprojekte der SBB, damit dem Bund und der Wirtschaft keine zukunftsweisenden und rentablen Projekte entgehen. Sie ist zurückzuführen auf eine Medienmitteilung der SBB vom Januar, worin diese ankündigte, bis zu 30 Immobilienprojekte zurückzustellen wegen fehlender finanzieller Mittel bzw. zu hoher vom Eigner (Bund) zugelassener Verschuldungsquote. Wir wehrten uns schon seitens KVF mit einem Brief an die zuständigen Departemente und unterstützten in der Finanzkommission diese Motion. Bei uns hätte es das neue Vorzeigequartier auf dem Areal des Bahnhof Wolf treffen können – keine gute Vorstellung!

Mein Votum zur Motion von Oliver Francais