Rückblick auf die ausserordentliche Session von 11. und 12. April 2023 zur Rettung der Credit Suisse

Nach zwei hektischen Tagen war die a.o. Session zu Ende – mit einem Ja zu den Krediten im Ständerat und einem Nein im Nationalrat, ohne die Gewissheit, dass schärfere Regeln für den Finanzplatz kommen und den Aussichten auf eine PUK

Am zweiten Sessionstag, nach dem zweiten Nein des Nationalrats war die ausserordentliche Session zu Ende, obwohl der Ständerat zweimal Ja gesagt hatte. Das Resultat ist kein Scherbenhaufen, wie manche Medien titelten. Die Diskussionen waren gut, es war quasi eine erste Eintretensdebatte zur Notwendigkeit einer Verschärfung der Too-big-to-fail-Regeln (TBTF-Regeln) für systemrelevante Banken, das heisst für Banken, deren Konkurs nationale oder gar internationale Finanzkrisen auslösen kann.

Die Diskussion fand in der von allen Seiten vermittelten Gewissheit statt, dass ein Ja oder Nein zu den Krediten von insgesamt 109 Milliarden Franken für deren Verwendung keine Rolle spiele. Ein Entscheid per Notrecht zeichne sich dadurch aus, dass die beschlossenen Verpflichtungen eingegangen werden können, sobald die Finanzdelegation (eine Delegation von je drei Mitgliedern der Finanzkommissionen der beiden Räte) einem entsprechenden Antrag des Bundesrates zugestimmt hat. Die nachträgliche Beschlussfassung durch das Parlament sei vorgeschrieben, ändere aber nichts daran. Innerhalb von sechs Monaten werde der Bundesrat dann eine Gesetzesvorlage bringen, welche das Notrecht ablöse.

Nach dem Nein des Nationalrats ist dies von einzelnen Staatsrechtlern in Frage gestellt worden. Am 19. April hat der Bundesrat seine Position bekräftigt, dass die Kredite verpflichtet sind und er die das Geschäft vorantreiben kann. (Link zur Medienmitteilung) Meines Erachtens zu Recht. Die Situation wurde uns in der Finanzdelegation so dargelegt. Die Situation ist für das Parlament unbefriedigend, aus diesem Grund sollte Notrecht wirklich auch nur angewendet werden, wenn es nicht anders geht, was hier sicher der Fall war. Und ich glaube nicht, dass eine Mehrheit des Parlaments Nein gestimmt hätte, wenn dieses Nein wirklich Folgen gehabt hätte.

Ja oder Nein oder Chance für eine Brücke? Wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter ein Nein im Nationalrat jeglicher Verbindlichkeit für stärkere Regulierungen vorzog

Im Ständerat waren wir mehrheitlich der Ansicht, dass ein Ja ein besseres Signal nach aussen wäre, zur Beruhigung der Situation. Wir waren auch durchaus bereit, den Bundesrat auf diese Weise zu unterstützen und zu signalisieren, dass auch wir der Meinung sind, dass der Staat eingreifen musste, dass die Kredite notwendig waren. Gleichzeitig versuchten wir, die Gelegenheit zu nutzen, neben den überwiesenen Postulaten mit Prüfaufträgen doch noch verbindliche Bedingungen in die Beschlüsse einzubringen.

Heiss liefen die Drähte zwischen den zwei Kammern zwischen dem ersten und zweiten Sitzungstag. Nach dem ersten Ja im Ständerat und dem ersten Nein im Nationalrat versuchten wir seitens SP mit einem gleichlautenden Antrag in beiden Räten eine Brücke zu bauen für ein Ja. Ein Ja sollte an eine Erhöhung des harten ungewichteten Eigenkapitals und eine gesetzliche Beschränkung der Boni geknüpft werden. In der Finanzkommission des Ständerates fanden wir dafür eine Mehrheit. Durch Hinweise von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, dass verschiedene Versionen vorlagen zwischen den Räten – Prüfauftrag oder Verbindlichkeit – entstand zuerst mal Verwirrung und dann setzte sich auch im Ständerat lediglich ein Prüfauftrag durch. Dieser unverbindliche Prüfauftrag scheiterte dann im Nationalrat an einer unheiligen Allianz von SVP, SP und Grünen.

Es musste alles sehr schnell gehen. Mit etwas Distanz ist mir klar geworden: Finanzministerin Karin Keller-Sutter ist dafür verantwortlich, dass im Ständerat nicht die Formulierung durchkam, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, dem Parlament eine Anpassung des Bankengesetzes vorzulegen, die unter anderem eine substanzielle, progressive Erhöhung einer harten, ungewichteten Eigenkapitalquote und eine gesetzliche Beschränkung der variablen Lohnbestandteile bei Mitgliedern von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Kontrollorgangen von systemrelevanten Banken beinhaltet, sondern nur die Prüfung solcher Massnahmen. Die Finanzministerin wollte keine Verbindlichkeit.

Nach der «Eintretensdebatte» in der a.o. Session bin ich noch gar nicht überzeugt, dass Bundesrätin Keller-Sutter wirklich eine wirksame Verschärfung der TBTF-Regeln bringen wird. Eine Erhöhung der harten Kernkapitalquote muss dazu gehören, nicht nur die Erhöhung der risikobasierten Eigenmittel, wie dies gemäss Basel III vorgeschlagen werden soll. Dieses Ziel müssen wir verfolgen,  bei der Vernehmlassung zu Basel III, bei der Beratung der Gesetzesgrundlage, welche das Notrecht ablösen wird und bei der Beratung aller Vorstösse zu einer schärferen Regulierung des Finanzplatzes, die schon eingereicht wurden und noch werden.

Den Druck aufrecht zu erhalten in dieser Richtung, das war auch der Hintergrund für viele, Nein zu sagen – wie gesagt, im Bewusstsein, dass die Kredite damit nicht abgelehnt würden. Dafür habe ich durchaus Verständnis. Ich habe Ja gestimmt, da ich dies als Mitglied der FinDel und der Finanzkommission schon getan hatte, die Kredite notwendig sind und ich meinen Unmut und Veränderungswillen anders ausdrücken möchte.

Braucht es eine PUK?

Heute sage ich klar Ja. Wir brauchen eine PUK, um Einsicht in die Entscheidungsprozesse von Bundesrat, Finanzmarktaufsicht (FINMA) und Schweizerischer Nationalbank (SNB) zu erhalten, sicher zurück bis Sommer 2022. Haben sie alles getan, was in ihrer Macht stand? Hätte der Bundesrat früher eingreifen sollen? Hat die FINMA getan, was in ihrer Macht stand oder sind ihre Instrumente zu unscharf? Um wirklich Antworten auf diese Fragen zu erhalten, brauchen wir ein Parlamentarische Untersuchungskommission, eine PUK. Sonst verhindert die Vertraulichkeit der Dokumente und Fakten die notwendigen Schlüsse. So werden wir auch ausreichend Informationen erhalten über den Zustand der CS, ob sie die TBTF-Regeln wirklich eingehalten hat, wie Bundesrat und FINMA behaupten, und über das Verhalten der Verantwortlichen der CS.

Anschliessend gilt es die Regulierungen anzupassen, den Rahmen, innerhalb dessen sich Banken und insbesondere systemrelevante Banken bewegen dürfen, und die Instrumente der FINMA daran anzupassen, welche die Durchsetzung der Regeln zu garantieren hat. Insbesondere eine Bussenkompetenz erscheint mir zwingend.

Covid-19-Krise – Energiekrise – Finanzkrise

In den letzten Tagen wurde viel von Verantwortung gesprochen. Unsere Verantwortung als Parlament ist es jetzt, die Sache nicht schleifen zu lassen. Sonst geschieht, was in den letzten zwei Jahren trotz offenkundigem Handlungsbedarf weder bei der Bewältigung der Covid-Krise geschehen ist noch punkto Energie als Folge des schrecklichen Angriffskriegs Russlands in der Ukraine.

Covid-19: Zwei Jahre Analyse, Workshops, runde Tische und hunderte von Seiten an Gutachten und Berichten – und immer noch keine konkreten Resultate. Seit zwei Jahren liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch für eine bessere Krisenprävention im Fall von Epidemien und Pandemien, aber nichts ist geschehen.

Der schreckliche Krieg in der Ukraine hat alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, verständlicherweise. Aber anstatt den Krieg zum Anlass zu nehmen für eine zeitgenössische Auslegung der schweizerischen Neutralität und die längst notwendige Energiewende herbeizuführen - waren wir doch alle sehr erschrocken über das Versiegen des Gasflusses aus Russland - erhöht das Parlament vor allem die Armeeausgaben. Dazu schafft es Christoph Blocher einmal mehr, die Aufmerksamkeit mit der Lancierung einer unnötigen bis schädlichen Initiative zur Festschreibung der Neutralität in der Verfassung auf sich zu ziehen und verhindert jede sachliche Diskussion. Flankiert durch Notmassnahmen des Bundesrates, eingeleitet noch von Bundesrätin Sommaruga, unterstützt von einem milden Winter, gut gefüllten Stauseen und einem ausbleibenden Blackout bei der Stromversorgung verschlafen wir gleichzeitig die längst notwendige Energiewende.

Unermüdlich kündet der SVP-Doyen inzwischen die nächste Initiative an, mit der er, der reich geworden ist als Grossunternehmer, Grossbanken abschaffen will. Nicht die Frage, ob dies für den Wirtschaftsstandort Schweiz sinnvoll ist oder nicht, steht dabei für Blocher im Mittelpunkt, sondern der Wille, der UBS, hervorgegangen aus der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) und dem Bankverein noch eins auszuwischen, aus dem einfachen Grund, weil er vor 30 Jahren wegen seines Engagements gegen den EWR aus dem Verwaltungsrat der SBG rausgeschmissen wurde.

Bundesrat und Parlament sind aufgefordert, sowohl die Pandemievorsorge, die anstehenden aussenpolitischen Themen wie die Ausgestaltung der künftigen Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Schweiz auf der Basis von Fakten zu diskutieren, persönliche Abrechnungen von älteren Herren nicht zu beachten und vor allem zu schauen, dass nicht einfach Gras über die Sache wächst – oder die nächste Krise die Schlagzeilen dominiert.