mächtig stolz
40 Jahre Feministische Theologie und Frauen-Kirche-Bewegung in der Schweiz
(Hg. von Doris Strahm und Silvia Strahm Bernet
unter Mitarbeit von Monika Hungerbühler)
Buchvernissage, Mittwoch, 11. Mai 2022, 18h, Offene Kirche Elisabethen, Basel
Liebe Doris Strahm
Liebe Silvia Strahm Bernet
Liebe Monika Hungerbühler
Liebe Frauen
Liebe Gäste
Ich habe mich sehr gefreut über die Einladung, heute bei Ihnen sprechen zu dürfen und ich muss Ihnen gleich zu Beginn gratulieren zu diesem gelungenenDokumentationswerk! Ein Reichtum an Fakten, die sonst vergessen gehen würden, und gleichzeitig geprägt von den persönlichen Erfahrungen einer Vielzahl von Frauen über diese Zeitspanne von 40 Jahren – keine umfassende Geschichte der feministischen Theologie in der Schweiz, wie Sie im Vorwort schreiben, aber keine Geschichte kann umfassend sein.
Ich habe neben den bekannten Namen, Orten und Ereignissen eine Reihe von persönlichen Anknüpfungspunkten gefunden: angefangen bei der Heimstätte Leuenberg, wo ich, in Pratteln aufgewachsen, in Lagern war, möglicherweise im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht, der in Pratteln schon in den 70er Jahren ökumenisch war.
Ich habe mich an die Studentinnen der Theologie erinnert, die beim Verein Frauenstadtrundgang Basel Rundgänge erarbeitet haben, an Irina Bossartinsbesondere, die auch einen Beitrag geschrieben hat über den Rundgang von 1994: „bildschön & geistreich. Biblische Frauen im Spiegelbild der Stadt“, für den ich damals als Koordinatorin des Frauenstadtrundgangs die Werbung machen durfte. Ziel war, „bekannte und vergessene Frauen und ihre (Wirkungs-)Geschichte(n) aus feministisch-theologischer Sicht zu beleuchten und sie – neu konnotiert – zurück ins städtische Gedächtnis zu holen“, wie Irina schreibt.
Dies ganz im Sinne der feministischen Theologie, die vergessene und unsichtbare Frauen hervorholen will, eine Neuformulierung der Theologie aus der Sicht der Frauen beabsichtigt. Die Anfänge gehen auf Mitte der 70er Jahre zurück, Ihre Vorgängerinnen lasen Simone de Beauvoir, „Das andere Geschlecht“, und befassten sich damit, dass der Mann als Norm des Menschseins betrachtet wurde und die Frau als minderwertiges und dem Mann untergeordnetes Geschlecht.
Und wagten dies zu hinterfragen! Und wagten aufzumucken, suchten eine liturgische Sprache ohne androzentrische Verengungen, wie es im Buch heisst, eine sehr schöne Formulierung! Wir leben nach wie vor in einer androzentrischen Welt, das illustriert zum Beispiel das 2019 erschiene Buch von Caroline Criado Perez, „Unsichtbare Frauen“, das ich Ihnen unbedingt zur Lektüre empfehle.
Dann die IG feministische Theologie, die 1991 hier in der Offenen Kirche Elisabethen gegründet wurde und zu deren 20 jährigem Jubiläum ich 2011 sprechen durfte.
Amüsiert habe ich mich über den Zweck des 1912 gegründeten Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF). Wie ich in Ihrem Buch nachlesen konnte, ging es darum, die Frauen zu bändigen: Gegründet wurde der SKF von Klerikern, um katholisch-konfessionelle Werte gegen ein zunehmend säkularisiertes Umfeld zu verteidigen. Er sollte in einer katholischen Sonderwelt Ledige und Verheiratete, Mütter, Lehrerinnen und Turnerinnen in je eigenen Vereinen davon abhalten, interkonfessionellen oder gar konfessionell neutralen Frauenvereinen beizutreten (S. 220). Ausbruchsversuche gab es offenbar immer wieder und seit den 60er Jahren war es mit der Enge vorbei - und 2019 hat der SKF zum Frauenstreik aufgerufen!
Die Delegiertenversammlung des SKF fand im Mai 2019 in Basel statt und ich durfte ein Grusswort halten. Es war eine aufgeladene Zeit, im Jahr zuvor waren sechs prominente Katholikinnen aus der Kirche ausgetreten, da Papst Franzskus Abtreibung als Auftragsmord bezeichnet hatte. Das Thema hat ja derzeit mit Blick auf die USA eine schlimme Aktualität erhalten.
In für mich absolut unerwarteter Deutlichkeit hat der SKF im November 2018auf diese Kirchenaustritte reagiert. In der Medienmitteilung hiess es wörtlich:
„Lange bevor sich die Frauen gemeinsam von der römisch-katholischen Kirche abgewandt haben, hat sie sich von ihnen abgewandt. Und auch wenn sich die Frauen vordergründig selber von der Kirche ausgeschlossen haben: Sie waren im Grunde schon längst Ausgeschlossene. Jahrzehntelang waren sie mit einer Institution solidarisch, die mit ihnen nie solidarisch gewesen ist. … So wenig wir uns mit der Ungerechtigkeit in der Welt abfinden, so wenig finden wir uns mit jener in der eigenen Kirche ab und halten an der Forderung umfassender Gleichwertigkeit fest – am Geschwister-Sein von Gleichgestellten.
…
Es sind vorwiegend Frauen, die dienen, und vorwiegend Männer, die bestimmen. Nicht weil sie besser ausgebildet, begabter oder berufener wären, sondern weil sie Männer sind. Das, was nicht Verdienst der einen und nicht Versagen der anderen ist, macht den entscheidenden Unterschied: das Geschlecht.“
Ein Abordnung von Frauen verlangte ein Gespräch bei Bischof Felix Gmür und schickte ihm einen Brief mit dem Titel: „Wir haben es satt!“
Darin forderten sie unter anderem, dass keine Männer mehr zu Diakonen und Priestern geweiht werden sollten, bis der Zugang zu diesen Ämtern auch Frauen offenstünde.
Um die Ernsthaftigkeit der Forderungen zu unterstreichen, wurde über Streik nachgedacht und – wie dies auf S. 281 nachzulesen ist, waren diese Ereignisse ein wichtiger oder der Auslöser für die Teilnahme am nationalen Frauenstreik durch die Frauen beider Kirchen. Frauen in der Region Basel haben das nationale Streikmotto «Gleichberechtigung. Punkt. Schluss» kurzerhand umformuliert zu «Gleichberechtigung. Punkt. Amen».
Und ich muss nochmals ein Zitat bringen, weil ich es nicht besser sagen könnte.
Jacqueline Keune rief in einem flammenden Text zur Teilnahme am Streik auf, „…weil katholische Seelsorgerinnen allein aufgrund ihres Geschlechts immer noch abgewertet und ausgeschlossen werden. Und weil die Kirche immer noch von Frauen getragen und von Männern geführt wird und die Ungleichheit nicht bloss in ihren Strukturen, sondern gar in ihrem «Recht» grundgelegt ist.
Mit Geduld werden wir die Verhältnisse des Unrechts nicht verändern und erst recht nicht beseitigen, das haben wir über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg erfahren und gelernt.“
Wow, solchen Power brauchen wir, nicht nur in den Kirchen, nicht nur in der Katholischen Kirche, die heute keine Zulassung als öffentlich rechtliche Religionsgemeinschaft erhalten würde, da die Frauen nach wie vor nicht gleichgestellt sind.
Im Vorwort fragen sich die Herausgeberinnen, was in den vergangenen 40 Jahren erreicht wurde. Ihre Antwort: „Unzählige Frauen der Generation unserer Grossmütter und Mütter, aber auch unserer eigenen Generation, wurden durch die feministische Theologie von der Last einer christlichen Sozialisation befreit, die Frauen zu minderwertigen und sündigen Wesen gemacht und dasSelbstwertgefühl vieler Frauen nachhaltig beschädigt hat.“
Schlimm, dachte ich im ersten Moment, schlimmer als ausserhalb der Kirchen, die Frau als Sünderin, schuld an allem. Aber ist es in der weltlichen Gesellschaft wirklich so anders? Nach wie vor schwingt in jedem Prozess wegen Vergewaltigung mit, ja, hatte sie nicht Mitschuld, wie war sie denn auch angezogen? Im Zusammenhang mit der Diskussion über „Nein ist Nein“ oder „Ja ist Ja“ habe ich kürzlich eine anonyme Zuschrift erhalten, ich nehme an, eines Mannes, der schrieb, die Frauen sagen ja immer irgendwann Nein, aber sie wollen es doch – es bleibt noch ein so weiter Weg!
Weiter schreiben Sie, feministische Theologie habe die Kirchen und die traditionelle Theologie zwar nicht nachhaltig verändert, aber sie habe Sieverändert, habe sich eingeschrieben in Ihre Biografien und in jene unzähliger Frauen weltweit.
Hier muss ich nun energisch protestieren: wer ist denn die Kirche? Wenn Siesich verändert haben, dann hat sich die Kirche verändert! Wir Frauen machen 50% der Weltbevölkerung aus, die Welt ist nichts ohne uns, auch die Kirchen nicht – manchmal frage ich mich schon, warum uns diese Gewissheit nicht mehr Selbstvertrauen und Machtbewusstsein gibt und wir entsprechend handeln – überall, wo wir tätig sind.
Was Sie schon alles erreicht haben, davon zeugt dieses eindrückliche Buch – es möge Ermunterung und Zuversicht sein, selbstbewusst weiterzumachen! Bis es keinen Papst mehr gibt oder zum erstenmal eine Päpstin, zum Beispiel…
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.