Icforum 2024 International Cooperation Forum Switzerland “What is peace?”


11/12. April 2024 Basel


Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis

Sehr geehrte Damen und Herren


Es ist mir eine grosse Ehre, zum Abschluss Ihrer Tagung als Ständerätin von Basel-Stadt ein paar Worte sagen zu dürfen – denn ich freue mich sehr, dass Ihre hochkarätige Tagung in meiner Stadt stattgefunden hat. Dies erinnert daran, dass Basel ein Ort ist, an dem historisch bedeutsame Friedensverträge geschlossen und Friedensinitiativen lanciert wurden. Friedensinstitutionen und Forschungszentren haben hier ihren Sitz.

Als Grenzstadt und Grenzkanton hat Basel auch hautnah Kriege in seiner unmittelbaren Nachbarschaft miterlebt. In Deutschland und Frankreich. Unser Land war nicht direkt involviert.

Ein Vierteljahrhundert bevor die Schweiz 1848 ein föderaler, demokratischer Bundesstaat wurde, war Basel selbst in einen Bürgerkrieg verwickelt. Sein Gebiet wurde gewaltsam in die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft aufgeteilt. Der Versuch, die beiden Kantone wieder zu vereinen, scheiterte seither mehrmals an der Urne. Das letzte Mal im Jahr 2021.

Im Dreiländereck zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz gelegen, ist Basel seit Jahrhunderten ein Schmelztiegel.

In Basel wurde die erste Universität der Schweiz gegründet und deren erstes Buch gedruckt. Dies zog Gelehrte an und machte den Stadtstaat zu einem Zentrum des Humanismus und der Naturwissenschaften. Hier in Basel lebte, wirkte und starb der grosse Erasmus von Rotterdam, nach dem das europäische Austauschprogramm für Studierende benannt ist.

Durch Basel fliesst einer der meistbefahrenen Flüsse der Welt. Der Kanton Basel-Stadt teilt eine längere Grenze mit Frankreich und Deutschland als mit der restlichen Schweiz. Er arbeitet daher auf vielfältige Weise eng mit seinen Nachbarn zusammen, um gemeinsam Lösungen für grenzüberschreitende Fragen zu finden. In meinen Augen prädestiniert uns das auch dafür, Ort für Friedenforschung und Friedensinitiativen zu sein.

In diesem Umfeld bin ich aufgewachsen, sehr geehrte Damen und Herren. Es hat mich geprägt und dafür bin ich dankbar. Ich bin aber auch in einem Staat gross geworden, in dem seit 175 Jahren Frieden herrscht, was ich immer als riesiges Privileg betrachtet habe. In jungen Jahren war ich aus diesem Grund in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Seit 25 Jahren prägt es meine Arbeit als Politikerin, indem ich mich für eine weltoffene und solidarische Schweiz einsetze.

Ich war letzte Woche mit der OECD-Delegation des Schweizer Parlaments am Meeting des globalen Parlamentariernetzwerks der OECD in Paris. In einem seiner ersten Voten sagte ein Vertreter Lettlands: Wir stehen heute in Europa vor der Situation, dass wir entweder Grenzländer sind zu Ländern, in denen Krieg ist, oder uns als Länder in der Situation eines neuen Kalten Krieges wiederfinden. Die baltischen Länder haben schon lange vor Russlands Expansionsplänen gewarnt. Die Skandinavischen Länder haben seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine die Konsequenzen gezogen in der Aussenpolitik.

Und wir in der Schweiz diskutieren nun seit zwei Jahren
• über das Ausmass unserer humanitären Hilfe,
• über die Möglichkeit indirekter militärischer Hilfe,
• über unsere eigene militärische Aufrüstung,
• über die Zusammenarbeit mit der NATO
• und über die Definition und Ausgestaltung unserer Neutralität.

Die Neutralitäts-Diskussion ist sehr wichtig – sowohl für unser Land wie auch für die Dienste, die unser Land der Weltgemeinschaft erbringen kann.

Ich habe die Ehre, für ein Jahr den Ständerat zu präsidieren und habe dies im März dazu genutzt, mit einer Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern den UNO-Sicherheitsrat in New York zu besuchen, in dem die Schweiz für zwei Jahre gewähltes Mitglied ist. Von diesem Besuch habe ich die Erkenntnis mitgenommen, dass die neutrale, humanitäre Schweiz eine wichtige Rolle spielen kann und spielt bei der Vermittlung in den schwerwiegenden und zunehmenden Konflikten auf dieser Welt, unter denen aktuell die Konflikte in der Ukraine und in Gaza weltweit im Fokus stehen.

Die Reise gab uns Gelegenheit
• über die UNO nachzudenken
• über den Sicherheitsrat
• über die Krise des Multilateralismus und die vermeintliche Hilflosigkeit seiner Institutionen.

Das hat mich ganz klar in der Überzeugung gestärkt, dass diese Institutionen als Plattformen für das Gespräch weiterhin enorm wichtig sind, und dass die Schweiz hier eine Rolle spielen kann und dies mit ausgezeichneter und sehr guter Arbeit auch tut. Was ist besser als miteinander immer wieder das Gespräch zu suchen? Gibt es eine Alternative?

Meine Damen und Herren
Noch nie gab es auf der Welt so viele Konflikte und Kriege wie heute. Friedenssicherung und Friedenserhaltung ist vielschichtig und kompliziert. Das muss ich Ihnen nicht sagen.
Umso wichtiger sind Initiativen wie diese Konferenz für Friedensförderung und Ihr tägliches Engagement, meine Damen und Herren. Sie setzen sich dafür ein, den Boden für ein friedlicheres Zusammenleben zu bereiten. Sie tauschen mit den Menschen vor Ort Erfahrungen und Wissen aus.

In den letzten zwei Tagen haben Sie hier an diesem Forum
• über Wasser gesprochen,
• über Rohstoffe,
• über Sicherheit
• über Kommunikation
• und über die Rolle von Frauen bei der Konfliktbewältigung.

Auch dazu war mein Aufenthalt in New York sehr lehrreich: Friedenschlüsse, an deren Vermittlung Frauen mitarbeiten, sind nachhaltiger. Doch während heute die Anzahl der Konflikte steigt, sinkt die Beteiligung von Frauen bei deren Schlichtung – weil Friedensarbeit für Frauen gefährlich ist. Sie werden gezielt bedroht oder gar umgebracht. Ein unerträglicher Teufelskreis. Aber die Frauen machen weiter. Ich bin tief beeindruckt von all diesen mutigen Frauen.

Meine Damen und Herren
Viele Konflikte und Kriege in Europa und der Welt scheinen unlösbar. Machtbesessene Despoten treiben Keile in die Zivilgesellschaft und zerstören das friedliche Zusammenleben – mit Folgen über die Grenzen hinweg.

Politische Exponenten – auch bei uns in der Schweiz – nutzen Ängste und Sorgen in der Bevölkerung, um Stimmung zu machen. Stimmungsmache statt Empathie mit von Armut und Krieg betroffenen Menschen. Sie fordern etwa die Kürzung der Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit und blenden dabei aus, dass es keine Leistung ist, Schweizerin oder Schweizer zu sein. Sondern Zufall und Glück. Ich finde es unerträglich, mit der «Wir zuerst»-Parole die Entwicklungszusammenarbeit auszuhebeln. Gerade weil wir das Privileg haben, in einem sicheren und friedlichen Land zu leben, sollten wir umso mehr Solidarität und Verständnis für Mitmenschen in krisengeschüttelten Staaten aufbringen. Zudem liegt eine weitere Destabilisierung der Welt nicht in unserem Interesse.

Liebe Anwesende
Weltfrieden wird eine Vision bleiben. Das hat uns die Geschichte der Menschheit gelehrt. Aber wir dürfen nicht aufgeben, an einer besseren Welt zu arbeiten und nach Rückschlägen und Zerstörung immer wieder neu anzufangen. So wie Sie es Tag für Tag tun. Ihr Engagement beeindruckt mich und ich danke Ihnen dafür von ganzem Herzen.

eh/12.4.2024